Schwäbische Zeitung, 30.3.99

Türken verbitten sich Vergleich Kosovo und Kurden-Konflikt

Istanbul (dpa) - Der russische Botschafter in Ankara, Alexander Lebedew, traf die Türken an einer besonders empfindlichen Stelle. Das türkische Massenblatt «Sabah» zitierte ihn am Sonntag mit dem Vergleich zwischen dem Separatismus in Kosovo und kurdischem Separatismus in der Türkei und der Frage: «Warum soll das eine richtig und das andere falsch sein?»
Die Türken verbitten sich solche Vergleiche kategorisch. Führende Diplomaten in Ankara argumentieren, Jugoslawien sei «eine Bundesrepublik mit Staaten im Staate». Kosovo habe ein aus der Vergangenheit stammendes Recht auf Autonomie. Die vor 75 Jahren gegründete türkische Republik hingegen sei «unitär». Darüberhinaus hätten Kurden «gleiche Rechte, Chancen und Pflichten im Rahmen der Gleichberechtigung aller ethnischen Minderheiten» im Gegensatz zu der im Kosovo überwältigenden Mehrheit von moslemischen Albanern. Die türkische Öffentlichkeit steht geschlossen hinter dem Luftkrieg der Nato gegen Ziele in Jugoslawien. Staatspräsident Süleyman Demirel lobte das Vorgehen der Nato als «notwendigen Beweis der Abschreckungskraft der internationalen Gemeinschaft». Allerdings wünschen sich die Türken ein baldiges Ende der Nato- Militäraktion. Laut vorgetragen wurde dieser Wunsch bislang nur von Ministerpräsident Bülent Ecevit, der große Probleme im Falle eines Bodenkrieges für türkische Truppen voraussagt.
Was nämlich allgemein befürchtet wird, brachte der Chefkolumnist von «Hürriyet», Oktay Eksi, zum Ausdruck: In der Nato werde immer öfter und lauter gesagt, im Falle eines Bodenkrieges gegen jugoslawische Truppen werde man von den Erfahrungen der türkischen Armee im Kampf gegen kurdische Separatisten in unwegsamen Bergregionen profitieren.
Eksi kritisierte, der Westen habe in Friedenszeiten die Türkei auf Distanz gehalten, um dann im Kriegsfall die Türken zuerst an eine Front zu schicken, wo besonders hohe Verluste erwartet würden: «Wir haben schon offiziell erklärt, daß wir zur Erfüllung jeder Aufgabe bereit sind... Was internationalen Abkommen entsprechend zu tun ist, sollten wir tun, aber so, daß auch wir unsere nationalen Interessen im Auge behalten, so wie es die anderen machen.» Die Türken wissen, daß ein Bodenkrieg gegen die Serben für sie aus historischen Gründen besonders grausam verlaufen könnte. Die Serben haben ihre vernichtende Niederlage in der Schlacht auf dem Amselfeld im Kosovo im Jahr 1389 noch längst nicht vergessen, wo die Heere des damals gerade 100 Jahre alten Osmanischen Reiches unter Führung von Sultan Murad I. die christlichen Serben besiegten.