Siegener Zeitung, 30.3.99

Bundesrichter geben klares Signal gegen PKK-Terror
Berlin (dpa) - Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen haben Deutschlands oberste
Verwaltungsrichter heute in Berlin ein klares Signal gegen den PKK-Terror gesetzt.

Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ließ aber in seinen Grundsatzurteilen zur umstrittenen Abschiebung von Anhängern der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK Milde walten, was einfache Unterstützer der separatistischen Organisation betrifft.
Die Bundesrichter hatten das komplizierte deutsche Ausländerrecht auszulegen, das feine Abstufungen von Asyl über Abschiebeschutz bis hin zur vorläufigen Duldung kennt. Hinzu kam internationales Recht, vor allem die Genfer Flüchtlingskonvention und die europäische Menschenrechtskonvention. Im Ergebnis differenzierte das Gericht dann zwischen den individuellen Beiträgen des Einzelnen für die PKK und entwickelte zwei Kerngedanken.
Erstens: Funktionäre der PKK haben keinen Anspruch auf Asyl und Abschiebeschutz in Deutschland. Dabei ist es nicht erheblich, ob sich der Betroffene unmittelbar an Gewalttaten beteiligt hat. Das Gericht stellte in seiner Argumentation zunächst klar, daß die Organisation ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln verfolge. Ein 47jähriger wegen PKK-Mitgliedschaft zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilter Funktionär trage dafür Mitverantwortung und bekomme kein Asyl.
Und auch einem 34 Jahre alten Spendeneintreiber, der seine Aktivitäten im Hoffen auf einen Schutz freimütig eingeräumt hatte, wurde Asyl versagt. Zur Begründung hieß es: „Ohne Mitwirkung dieser Funktionärsschicht wären die Aktivitäten der PKK nicht möglich.“
Zweitens: Nicht jede Unterstützung der PKK führt dazu, daß der besondere Abschiebeschutz für politisch Verfolgte verfällt. Vielmehr sei entscheidend, ob der Betroffene eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik sei. Dies hat das Gericht bei einem 35jährigen verneint - und dabei auch ausdrücklich auf die derzeitige politische Lage in Deutschland verwiesen.
Wer nur regelmäßig Geld für die PKK gespendet oder auch an verbotenen Demonstrationen teilgenommen habe, sei keine Gefahr, durch die der Abschiebeschutz verwirkt würde. Der Vorsitzende Richter Friedrich Seebass betonte hier aber, daß dies zwar in der gegenwärtigen relativ ruhigen Lage gelte, nicht aber unbedingt immer: „Es ist hier kein Freibrief zu erteilen.“
Mit ihren differenzierten Urteilen stellten die Bundesrichter nun klar, woran sich künftig alle deutschen Verwaltungsgerichte halten sollen. Die Berliner Entscheidung dürfte damit für Tausende von PKK- Anhängern gelten, die in Deutschland leben. So zählt etwa der jüngste Verfassungsschutzbericht des Bundes 11 500 der rund 500 000 Kurden zu den PKK-Anhängern - bei Demonstrationen und Veranstaltungen wurden aber auch schon mehrere 10 000 Teilnehmer gezählt.
Allerdings: Die Grundsatzurteile bedeuten nicht, daß jetzt sofort zahlreiche PKK-Funktionäre in die Türkei abgeschoben werden - vorher ist gemäß der europäischen Menschenrechtskonvention jeweils zu prüfen, ob ihnen dort Folter oder Todesstrafe drohen und eine Abschiebung deshalb zunächst nicht möglich ist. Den Betroffenen bleibt somit zumindest etwas Hoffnung, nicht zwangsweise in die Türkei gebracht zu werden.