„Kein Kurdenstaat in Deutschland!“

Sachsen duldet keine politischen Aktivitäten der KurdInnen.  Innenministerkonferenz verständigt sich in Dresden über schnelle Abschiebung der PKK-Aktivisten.
Am 16. Februar besetzten kurdische AktivistInnen aufgrund der Verhaftung des Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, das griechische Konsulat in Leipzig. Das Konsulat wurde durch die Polizei am späten Nachmittag geräumt. Etwa 73 KurdInnen wurden im Konsulat verhaftet. Dabei ging die Polizei nach Augenzeugenberichten mit äußerster Brutalität vor. Die Angehörige eines in Waldheim einsitzenden kurdischen Aktivisten berichtete, daß dieser am Kopf eine 10 Zentimeter lange Narbe und drei gebrochene Rippen habe. Auch nach mehrmaliger Bitte, sei er lange Zeit nicht ärztlich versorgt worden. „Die werden gehalten wie der letzte Abschaum“, so die Schwägerin. Wohin die 73 verhafteten KurdInnen im Einzelnen verbracht wurden, konnte bisher nur unter großen Umständen herausbekommen werden. Bei 18 Leuten ist immer noch unklar, wo sie inhaftiert sind - damit sind sie ohne rechtlichen Beistand und jederzeit der Abschiebung ausgesetzt. Die zuständigen sächsischen Ministerien halten sich bedeckt. „Die 73, die in Leipzig die Botschaft besetzt hatten, befinden sich alle in Untersuchungshaft.“ So der sächsische Innenminister Klaus Hardrath. Überprüft werden kann diese Aussage nicht, weil die Taktik der staatlichen Behörden darauf abzielt, inhaftierte Kurden ohne Rechtsbeistand durch Schnellverfahren abzuschieben. Bedroht sind dabei vor allem jene Flüchtlinge, die einen unsicheren Aufenthaltsstatus bzw.  eine Duldung haben. Verschwiegen wird auch, daß schon zwei Kurden, die an den Protesten in Sachsen teilnahmen, abgeschoben wurden. Ali Salih Parlak zum Beispiel wurde in Leipzig verhaftet und am 3. März vom Frankfurter Rhein-Main Flughafen mit der Lufthansa nach Istanbul abgeschoben. Als er zwei Stunden vor der Abschiebung das erste Mal seit der Verhaftung das Recht erhielt, jemanden anzurufen, war es bereits zu spät. Ali hatte in der Türkei noch keinen Militärdienst geleistet. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß er nach seiner Verhaftung am Flughafen später in die Fänge der Militärs gelangte.
In Sachsen gab es neben den 73 im Konsulat verhafteten KurdInnen, etwa 70 weitere Festnahmen, von denen die meisten zwar freigelassen wurden, aber unklar ist, gegen wieviele Anklage erhoben wird. Der Hardrath drohte die Prüfung an, ob bei denen, die festgenommen und nicht in Haft genommen wurden, eine schnelle Abschiebung möglich ist. Mehmet Kurt fiel dieser Drohung bereits zum Opfer. Er wurde vor dem Konsulat von der Polizei verschleppt und am 28. Februar in die Türkei abgeschoben. Die in Büren und Hamburg-Glasmoor protestierenden kurdischen Häftlinge erklärten in einer Protesterklärung: „Der Ort, wohin kurdische Gefangene abgeschoben werden, ist uns allen bekannt: die Türkische Republik, deren Justiz nach Belieben Menschen diskriminiert, festnimmt und foltert.“ Insgesamt befanden sich zu dem Zeitpunkt 100 türkische und kurdische Gefangene in 17 Gefängnissen im Hungerstreik, um die Freilassung von Abdullah Öcalan zu fordern.
Wie die Innenminister mit den KurdInnen umgehen wollen, die sich in Deutschland politischen betätigen, zeichnete sich auf der Innenministerkonferenz am 5. März in Dresden ab: „Fremde Ihr müßt nach Hause! - Kurdenkrawalle darf es nicht mehr geben.“ so die einhellige Meinung. Bundesinnenminister Otto Schily auf die Frage eines Journalisten, wie angedacht sei mit den „PKK-Kurden und Gewalttätern“ umzugehen: „Wir können es nicht dulden, daß Menschen hier in Deutschland sich zu Gewaltaktionen hinreißen lassen und dann meinen, sie hätten trotzdem ein Aufenthaltsstatus. Deshalb werden wir mit aller Nüchternheit prüfen, welche Vorkehrungen notwendig und möglich sind, um dann auch Ausweisungsentscheidungen zu treffen, und diese zu vollziehen im Wege der Abschiebung.“ Wer hier die Gesetze übertrete, der habe seinen Aufenthaltsstatus verwirkt, so Schily. Bei diesen Aussagen wird verständlich, wie Schily seine Bitte an die Journalisten meinte, nicht von „Kurdenkrawallen zu sprechen und die Worte „richtig zu wählen, damit der Frieden im Land gewahrt“ bleibe. Schily geht es um die Ruhe im eigenen Land, der Frieden in Kurdistan ist ihm egal. Dies war um so deutlicher, daß keine Aussagen getroffen wurde, wie sich die Innenminister den um eine „friedliche Lösung des Problems“ bemühen wollen.
Sein sächsischer Kollege Hardrath warnte „alle Kurden, auch alle PKK-Anhänger, hier in Deutschland Gewalttätigkeiten mit der Zielsetzung durchzusetzen, den Staat Kurdistan zu schaffen.“ Die Strafverfahren werde man so schnell wie möglich durchführen, „Mindeststrafe für Geiselnahme 5 Jahre“. Wie ernst Hardrath es mit diesen Drohungen meint, zeigt ein Infoblatt, das auf seine Initiative im Innenministerium zurückgeht und in den sächsischen Ausländerbehörden verteilt wurde. Darin werden die „lieben kurdischen Mitbürger“ aufgefordert, Sympatisanten der PKK bei der Polizei anzuzeigen und sich „von den gewalttätigen Ausschreitungen“ der Landleute zu distanzieren. Hardrath ist sich der schnellen Abschiebungen ziemlich sicher, denn die Frage, was geschehe, wenn die PKK-Aktivisten nicht abgeschoben werden können, stelle sich für ihn derzeit so nicht. „Wir werden alles versuchen und alles unternehmen, um mit der Türkei Regelungen zu finden, damit hier die Abschiebungen vorgenommen werden können.“ so der sächsische Innenminister.
Kleiner Hoffnungsschimmer angesichts drohender Massenabschiebungen ist die Freilassung des Kurden Recep Öz aus der Abschiebehaft in Büren. Das Verwaltungsgericht in Aachen begründete sein Urteil unter anderem damit, daß vor dem Hintergrund der Veränderung der innenpolitischen Lage in der Türkei seit der Inhaftierung des ‘Staatsfeindes schlechthin’ die bisherige Auskunftslage zur Rückkehrgefährung regimekritischer, exilpolitisch tätiger kurdischer Asylbewerber zu aktualisieren sei. Der Flüchtlingsrat Berlin forderte daraufhin den Bundesinnenminister auf, ein generelles Abschiebeverbot für KurdInnen in die Türkei zu erlassen. „Was für Recep Öz gilt, muß für alle KurdInnen gelten“ so der Flüchtlingsrat. Bis zum Abschluß der Prüfung sollen demnach die noch inhaftierten KurdInnen aus dem Wanderkirchasyl sowie alle anderen KurdInnen aus den Abschiebegefängnissen entlassen und ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung zugestanden werden.

Tom Kucharz, Dresdner Netzwerk Kein Mensch ist illegal.
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