Neue Zürcher Zeitung, 26.03.1999

Zur Sendepause verknurrt
Die Briten verwarnen den kurdischen Sender Med-TV

Der kurdische Satellitensender Med-TV, der in der Schweiz auch über Kabelfernsehen zu empfangen ist, hat vorübergehend seine Sendelizenz verloren. Die britische Independent Television Commission (ITC) beschuldigte Med-TV, in Nachrichtensendungen für die PKK Partei ergriffen zu haben. Während einiger Interviews mit PKK-Aktivisten wurde diesen erlaubt, live zum Kampf gegen die Türkei aufzurufen und andere Aussagen zu machen, die nach Ansicht der ITC einer Anstiftung zu kriminellen Handlungen gleichkommt. Kein Angestellter des Senders wurde ähnlicher Vergehen beschuldigt.
Wenn auch die dreiwöchige Suspendierung der Lizenz von Med-TV durch die britischen Senderichtlinien begründet ist, so wird doch angenommen, dass auch der Druck der türkischen Regierung eine Rolle gespielt hat. Seit der Sender 1995 mit Übertragungen begonnen hat, setzte die Türkei alles daran, dessen Schliessung zu bewirken. Noch ungeklärt ist, weshalb türkische Medien am Montag morgen die bevorstehende Schliessung von Med-TV bekanntgeben konnten, bevor die ITC ihren Entschluss veröffentlicht und dem Sender mitgeteilt hatte. Nur die britische Regierung war bereits am Morgen informiert worden.
Schon in den vergangenen Monaten hatte die ITC gegen Med-TV den Vorwurf der Parteilichkeit erhoben. Hikmet Tabak, der Direktor des Senders, nahm dazu auf einer Pressekonferenz Stellung: «Wir sind die einzige Fernsehstation, die den Kurden unzensierte Nachrichten bringt», sagte er. «Wir geben jede Perspektive wieder, die der PKK und die von jeder anderen Partei, die an dem Prozess beteiligt ist. Leider weigern sich Repräsentanten der türkischen Regierung trotz wiederholten Einladungen immer wieder, an unseren Sendungen teilzunehmen.» Als weiteres Problem erweist sich, so Tabak, die Tatsache, dass Med-TV ständig von türkischen Darstellungen der Kurdenfrage unter Zugzwang gesetzt wird. Während türkische Zeitungen einer minimalen regulativen Kontrolle unterlägen und oft als Sprachrohr der Regierung fungierten, sei Med-TV gezwungen, sich an britische TV-Richtlinien zu halten, welche auf eine funktionierende parlamentarische Demokratie ausgerichtet seien. - Med-TV hat gegen den Entschluss der ITC bereits Berufung eingelegt; sie hat drei Wochen Zeit, um die Kommission davon zu überzeugen, dass es keine weiteren Verletzungen der Regelungen geben werde. «Wir werden sicherlich nicht aufgeben, und wir hoffen, bald wieder senden zu können», sagt Tabak. «Viele Menschen hängen von uns ab, nicht nur von den Nachrichten, sondern auch von unseren kulturellen Programmen, die ihnen eine Identität vermitteln können. Wir werden unsere eigenen Richtlinien verschärfen; aber selbst wenn wir bloss bei der BBC eingekaufte Spielfilme in Kurdisch zeigen würden, wird die Türkei weiterhin versuchen, eine Schliessung zu bewirken.»
Philipp Blom