Berliner Zeitung 23.3.99

Massenverhaftungen zum Neujahrsfest

Von Martina Doering
Zehntausend Kurden sind am Wochenende bei den Feiern zum kurdischen Neujahrsfest Newroz festgenommen worden, eine gewaltige Zahl. Die meisten Betroffenen gab es im Südosten der Türkei, dem Siedlungsgebiet dieser Minderheit. Auch neun Deutsche wurden von den türkischen Sicherheitskräften verhaftet. Sie werden jetzt einem Richter vorgeführt.
In dieser Region herrscht Ausnahmezustand und damit das Militär. Journalisten, ausländische Parlamentarier oder Menschenrechtsaktivisten sind dort nicht gern gesehen. Während des Newroz-Festes aber ist ihnen der Zutritt verboten. Wer trotzdem fährt, weiß zweierlei: Erstens kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verletzung von Menschenrechten bezeugen. Zweitens kann man mit hoher Sicherheit selbst Opfer der Repression werden. Nur handfeste Ergebnisse rechtfertigten ein solches Wagnis.
Damit aber ist nicht zu rechnen: Daß in der Türkei Menschenrechte verletzt und die Kurden verfolgt werden, ist bekannt. Daß es der kurdischen Sache nützt, wenn Deutsche verhaftet werden, ist kaum anzunehmen. Ankara wird seine Politik gegenüber Minderheiten wegen eines solchen Vorfalls nicht ändern. Der Fakt allerdings, daß neun Deutsche Probleme haben, erheischt international mehr Aufmerksamkeit, als das Schicksal von zehntausend verhafteten Kurden. Negative Wirkung einer idealistischen Aktion.