ap Meldung vom 22.03.1999 15:19
 

Keine Chance für Demonstration vor dem Gipfel-Hotel
Berlin will beim EU-Sondergipfel jegliche Sicherheitslücken vermeiden - Keine Hinweise auf geplante militante Aktionen Von AP-Korrespondent

Thomas Wiegold
Berlin (AP) Ausgerechnet vor dem Berliner Hotel Intercontinental wollten Kurden demonstrieren: Der Protest gegen den Prozeß gegen PKK-Führer Abdullah Öcalan sollte den Teilnehmern des EU-Gipfels in der Hauptstadt am Mittwoch hautnah zu Gehör gebracht werden. Die Demonstranten werden sich einen anderen Kundgebungsort suchen müssen - das Hotel, komplett zur Gipfelherberge umfunktioniert, und seine unmittelbare Umgebung werden in den nächsten Tagen zu den bestgeschützten Orten Berlins gehören.
Rund 3.600 Polizeibeamte, davon 1.200 vom Bundesgrenzschutz und aus anderen Bundesländern, bietet die Hauptstadt für das Sondertreffen des Europäischen Rates auf. «Die Berliner Polizei wird erneut unter Beweis stellen, daß sie hauptstadtfähig ist», verkündet Innensenator Eckart Werthebach. Allerdings:
«Ich kann natürlich nicht für jeden fanatisierten Einzeltäter genügend Polizisten vor Ort haben.»
Grundsätzlich, so heißt es aus den verschiedenen Sicherheitsbehörden von Bund und Land, sei ein friedlicher Verlauf des Gipfels zu erwarten. Doch nach den Ereignissen in den vergangenen Monaten, die die Sicherheit in Berlin vor allem nach dem Sturm auf das israelische Generalkonsulat in Mißkredit gebracht hatten, will niemand ein Risiko eingehen: Der Beginn des Gipfels fällt zum Beispiel mit dem ersten Prozeßtag im Fall Öcalan zusammen.
Auch aus der autonomen Szene hatte es Ankündigungen von Aktionen gegeben. Zwar sei die Szene von der kurzfristigen Ankündigung des Berliner Gipfels überrascht worden, hieß es in einem Flugblatt. Aber «Orte für spontane Straßenfeste und andere Aktivitäten gibt’s genug». Konkrete Hinweise auf militante Aktionen, sei es von deutschen Linken oder ausländischen Extremisten, haben die Sicherheitsbehörden bislang allerdings nicht - die Delegationen müßten sich höchstens darauf einstellen, auch mal ein Transparent zu Gesicht zu bekommen.
400 Trecker legen Hauptverkehrsstraße lahm
Dennoch wird die Straße vor dem Interconti für jeglichen Fahrzeugverkehr gesperrt - nur die Staats- und Regierungschefs, die Minister und ihre Delegationen werden mit Polizei-Eskorte vom Flughafen Tegel und zurück dieses Straßenstück benutzen dürfen. Hotelgäste, die von der Sperrung betroffen sein könnten, wird es nicht geben: Die Bundesregierung als Gastgeber hat das gesamte Interconti mit seinen 500 Zimmern gemietet. Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder, der eine Dienstwohnung im noblen Stadtteil Dahlem hat, wird während des Gipfels im Hotel übernachten.
Mehr Sorgen über den Gipfel muß sich die Verkehrspolizei machen. Das Thema Agenda 2000 rief natürlich die Landwirte auf den Plan, die ihren Protest gegen die vorgesehene Neuordnung der EU-Agrarpolitik in Berlin vortragen wollen. Die erwarteten rund 1.000 bäuerlichen Demonstranten sind zwar kein großer Kundgebungszug - aber die 400 Traktoren, die sie mitbringen wollen, werden eine Hauptverkehrsader Berlins am Mittwoch lahmlegen. Auch wenn die Treckerparade nicht am Tagungsort der EU-Staats- und Regierungschefs vorbei führt - die Auswirkungen des Protestzuges vom Theodor-Heuss-Platz im Westen der Hauptstadt bis zur Siegessäule werden den Verkehr in Interconti-Nähe auch ohne die Straßensperrung vor dem Gipfelort zum Erliegen bringen.
Die Verkehrsprobleme werden auch die bis zu 4.000 erwarteten Journalisten zu spüren bekommen. Sie können vom Pressezentrum, wenige hundert Meter vom Gipfel-Hotel entfernt, den eigentlichen Tagungsort nur per Zubringerbus erreichen - wenn der Bus durchkommt.