Hamburger Abendblatt 18.3.99

Nur noch zwei Geiselnehmer in U-Haft

Neun Kurden waren im Kurt-Schumacher-Haus vom Mobilen Einsatzkommando (MEK) überwältigt worden. Gegen sechs von ihnen erging Haftbefehl. Heute - genau einen Monat nach der Geiselnahme - sitzen gerade noch zwei PKK-Mitglieder in U-Haft.
Es waren fünf minderjährige Geiselnehmer im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, die im dritten Stock der SPD-Zentrale festgenommen wurden.  Von ihnen kamen drei noch am selben Abend wieder auf freien Fuß. Grund: Zwei der Geiselnehmer sind mit 15 und gerade 16 Jahren zu jung für die U-Haft, befand der Richter. Ein 17jähriger wurde von der Haft verschont, weil er eine Lehrstelle und einen festen Wohnsitz nachweisen konnte.
Ins Untersuchungsgefängnis mußten der 17 Jahre alte mutmaßliche Rädelsführer und ein 16jähriger. Beide sind mittlerweile gegen Auflagen von der Haft verschont. Der Haftbefehl besteht jedoch weiter.
Die Vorwürfe gegen alle fünf jungen Kurden sind Geiselnahme und schwerer Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Sie haben Freiheitsstrafen von fünf bis zu zehn Jahren zu erwarten.
Unmittelbar vor der Geiselnahme hatte das MEK im zweiten Stock der SPD-Zentrale vier erwachsene Kurden überwältigt. Der Vorwurf hier: schwerer Landfriedensbruch. Die Männer im Alter von 22 bis 40 Jahren kamen in U-Haft. Grund:
Fluchtgefahr. Doch die soll bei zwei von ihnen nicht mehr bestehen. Ein Richter ließ sie jetzt gegen Auflagen auf freien Fuß. Noch hinter Gittern: ein 22- und ein 40jähriger. Ihnen drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Weitere Festnahmen oder Haftbefehle im Zusammenhang mit der Geiselnahme hat es bis heute nicht gegeben. Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger: "Die Ermittlungen betreffend der Identifizierung weiterer Täter dauern an."
Wie berichtet, hatte die Polizei nach mehrstündigen Verhandlungen 15 Geiselnehmer ziehen lassen.   (sat)