Stuttgarter Zitung 18.3.99

Ankara bestellt deutschen Botschafter ein
Schritte gegen kurdische Medien verlangt - Zwei Tote bei Explosion einer Bombe

ANKARA/ISTANBUL (AP/afr). Die Türkei hat Deutschland und Großbritannien aufgefordert, Maßnahmen gegen kurdische Medien zu ergreifen. Nach Angaben von Behörden, ist die PKK auch in der Türkei noch kampfbereit.
Laut Außenamtssprecher Sermet Atacanli wurden der deutsche Botschafter in Ankara, Hans-Joachim Vergau, und der britische Geschäftsträger Hugh Mortimer ins Außenministerium in Ankara einbestellt. Dabei wurde die türkische Ansicht vorgetragen, daß die kurdische Nachrichtenagentur DEM in Köln und die kurdische Tageszeitung ¸¸Özgür Politika'' in Deutschland sowie der von Großbritannien aus über Satellit ausgestrahlte Sender MED-TV ¸¸zum Terrorismus aufhetzen''.
Bei der Explosion eines Autos nahe der Stadt Hatay an der syrischen Grenze im Süden der Türkei sind am Dienstag abend zwei Insassen bulgarischer Nationalität getötet worden. Nach Behördenangaben handelte es sich vermutlich um Selbstmordattentäter, deren Bombe zu früh explodiert ist.
Seit der Festnahme von PKK-Führer Abdullah Öcalan Mitte Februar haben die türkischen Behörden ihre Aufrufe an die kurdische Guerilla, sich zu ergeben, verstärkt. Die Appelle erfolgen auf Flugblättern, in Rufen von Minaretten und werden von Behördenvertretern auf Einwohnerversammlungen verkündet. Der Erfolg war nach Ansicht politischer Beobachter bisher bescheiden. Das Angebot der Regierung sei nichts mehr als ein vages Versprechen auf ein Reuegesetz, heißt es. Es fehle eine umfassende Amnestie.
In der kurdischen Metropole Diyarbakir rechnen die Sicherheitsbehörden damit, daß es noch drei bis fünf Jahre dauern wird, bis die PKK zerfällt. Sie schätzen die Zahl der aktiven Kämpfer in den umliegenden Bergen auf etwa 1000.  Bereits vor Öcalans Verhaftung war es für seine Organisation schwierig gewesen, in den kurdischen Gebieten der Türkei neue Kämpfer zu rekrutieren, denn alle noch bestehenden Dörfer stehen unter Kontrolle von 70000 Dorfwächtern.
Dagegen gelang es der PKK im Nordirak und in Syrien junge Leute aufzubieten. Es gelang ihr auch vermehrt in den Städten der Türkei, wo die Kurden zu Hunderttausenden Zuflucht vor dem Krieg gesucht haben. Trotz massiver Repressionen kam es in den kurdischen Gebieten zu Solidaritätsaktionen für die PKK, darunter Protestmärsche, Ladenschließungen und Schülerboykotte. Die Strukturen der PKK seien intakt, und sie werde in der Lage sein, sich den neuen Erfordernissen anzupassen, sagte vor wenigen Tagen Semdin Sakik in einem Interview mit einem türkischen Fernsehsender. Sakik, die ehemalige Nummer zwei der PKK, muß sich vor dem Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir verantworten. Er erklärte weiter, die Stärke der PKK liege im Guerillakampf auf dem Land und in den Bergen und bei Selbstmordattentaten, aber nicht bei Anschlägen mit ausgeklügelter Technik, wie sie in Städten üblich seien. Die Bombenattentate der letzten Tage gehen offenbar auf das Konto von kleinen linksextremen Gruppen, mit denen die PKK eine ideologische Verwandtschaft hat.
Ende Februar hatte die PKK an einem geheimgehaltenen Ort nahe der iranisch-irakischen Grenze ihren 6. Kongreß durchgeführt. Die 330 Delegierten haben dabei Öcalan als Vorsitzenden bestätigt und beschlossen, den bewaffneten Flügel zu stärken. Ein zehnköpfiger Ausschuß übernimmt die Führung, solange Öcalan in Haft ist. Als möglicher Nachfolger von ¸¸Apo'' wird häufig Cemil Bayiks genannt. Bayik gehört zu den Gründungsmitgliedern der PKK.