DIE WELT, 17.3.1999

Berliner Bundesrichter prüfen Ausländergesetz
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über den Abschiebeschutz für straffällige PKK-Mitglieder

Berlin ­ Im Rechtsstreit um Asyl für Unterstützer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) will das Bundesverwaltungsgericht in Berlin nun prüfen, ob Teile des Ausländergesetzes verfassungswidrig sind. Das kündigte der 9. Senat an.
Zuvor hatten die Bundesrichter über die Klage eines Kurden auf Asyl verhandelt, der in Deutschland als hochrangiger PKK-Funktionär zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Das Gericht will am 30. März in einem Grundsatzurteil verkünden, wann für Anhänger oder Mitglieder der PKK der Schutz in Deutschland als politisch Verfolgte wegfällt.
Der Rechtsanwalt des PKK-Funktionärs sagte in der zweiten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht um die Abschiebung von PKK-Anhängern, er halte das Ausländerrecht zum Teil für verfassungswidrig. Dabei kritisierte der Anwalt eine Bestimmung, wonach politisch Verfolgte den besonderen Abschiebeschutz verlieren, wenn sie rechtskräftig zu einer Haftstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden. Sollte sein Mandant kein Asyl bekommen, sei die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, sagte der Anwalt.
Der 9. Senat muß im vorliegenden Fall entscheiden, ob nach dem Vorwurf einer terroristischen Betätigung die Gewährung von Asyl ausgeschlossen ist. Der 47jährige Kläger war 1969 aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Er schloß sich 1980 der PKK an. Die Türkei bürgerte ihn 1986 aus, nahm diese Entscheidung jedoch 1992 wieder zurück. Seit Mitte der achtziger Jahre war der Kurde hauptamtlicher Funktionär der PKK und wurde in Deutschland zweimal verurteilt: 1992 wegen schwerer Freiheitsberaubung zu 21 Monaten Haft und 1997 zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Dem Bundesgericht liegen in dem Grundsatzverfahren zwei weitere Klagen von PKK-Anhängern vor: In einem Fall unterstützte ein Ehepaar die PKK durch Spenden und nahm an Demonstrationen teil. In dem anderen hatte ein Kurde Spenden für die PKK eingetrieben. Die Vorinstanzen hatten in allen drei Fällen trotz drohender politischer Verfolgung Asyl versagt. Sie sahen „schwerwiegende Gründe“ aus dem Ausländergesetz gegeben, weil die Sicherheit der Bundesrepublik durch die PKK-Unterstützung gefährdet sei oder eine rechtskräftige Verurteilung zu mindestens drei Jahren vorlag. Unterdessen ist ein Führungsfunktionär der PKK an der dänischen Grenze in Flensburg festgenommen worden. Ihm wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und versuchte schwere Brandstiftung vorgeworfen. rtr/dpa