Frankfurter Rundschau 16.3.99

Kirchenasyl
„Mißhandlung von Nasir Karaca wahrscheinlich“

GIESSEN. Aufgrund neuer Gutachten und Recherchen hält die evangelische Kirchengemeinde Kleinlinden eine Mißhandlung des Kurden Nasir Karaca bei einer Abschiebung in die Türkei für sehr wahrscheinlich.  Der 35jährige, der mit der Familie seit Herbst 1998 in der Obhut der Kirche lebt, sei durch namentliche Nennung nach legalen politischen Aktionen in türkischen Medien gefährdet, so Dekan Michael Karg.
Die Gemeinde mit Dekan Karg und Pfarrer Christoph Schulze-Gockel gewährt seit dem 3. September Nasir Karaca, seiner Frau und den drei Kindern Kirchenasyl. Gut ein halbes Jahr haben die Kurden schon in den beengten Verhältnissen in kircheneigenen Räumen ausgeharrt. Seit über acht Jahren hält sich das Ehepaar Nasir und Güllü Karaca in Deutschland auf. Zwei der drei Kinder sind hier geboren, die älteste Tochter besucht die Grundschule. Nasir Karaca arbeitete in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Lich.
Weil ihm nach der Teilnahme an einem Sternmarsch für Menschenrechte und der Aktion „Kein Mensch ist illegal“ bei der Rückkehr Haft und Folter drohten, gewährte die Kirche Schutz. Der Fall ist derzeit am Gießener Verwaltungsgericht anhängig, nachdem der Rechtsanwalt einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund exilpolitischer Betätigung gestellt hatte.
Dekan Karg und Pfarrer Schulze-Gockel berufen sich in ihrer Einschätzung unter anderem auf Gutachten, welche die aktuelle Situation in der Türkei beleuchten. Daß die Sicherheitskräfte nicht eben zimperlich mit zurückgeschickten kurdischen Asylbewerbern umgehen, hätten nach Angaben Kargs auch „amnesty international“ und der „Niedersächsische Flüchtlingsrat“ dokumentiert. Dabei spiele eine entscheidende Rolle, daß der Name des Kurden unter anderem in der „Posta“ erwähnt worden sei, die landesweit vertrieben werde. tru