AP, 11.03.1999, 18:47

Griechische Justiz klagt Öcalan und 17 Helfer an
Wegen illegaler Einreise des PKK-Chefs - Spannungen mit der Türkei verschärft Kurdenführer in guter Verfassung

Athen/Ankara (AP) Wegen illegaler Einreise und Beihilfe dazu hat die griechische Justiz am Donnerstag den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und 17 seiner Helfer angeklagt. Gegen den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) lautet die Anklage nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf illegale Einreise und Besitz falscher Dokumente. Die Namen der anderen Angeklagten wurden nicht genannt, doch handelt es sich dabei nach Angaben aus Justizkreisen um den Abgeordneten Kostas Badouvas, Exmarineoffizier Antonis Naxakis sowie zwei Frauen, die Öcalan in Griechenland beherbergt hatten, einige Polizisten und Grenzbeamte sowie die Besatzung des Privatflugzeugs, das den PKK-Chef nach Griechenland brachte.
Möglicherweise würden auch die ehemaligen Minister Theodoros Pangalos, Philippos Petselnikos und Alexandros Papadopoulos angeklagt, die wegen der Affäre Öcalan zurückgetreten waren, hieß es in Athen weiter. Die Staatsanwaltschaft habe die Ergebnisse ihrer Ermittlungen jedenfalls dem Parlament zugeleitet, das allein über eine Anklage gegen die drei entscheiden könne. Doch sagte Regierungssprecher Dimitris Reppas am Donnerstag, die Regierung sei gegen eine Anklage der Minister, weil sie in politischem Auftrag gehandelt hätten.
Öcalan war am 29. Januar - offenbar ohne Wissen von Ministerpräsident Konstantinos Simitis - auf Betreiben von Badouvas und Naxakis nach Griechenland eingereist und Tage später in die griechische Botschaft nach Kenia gebracht worden. Bei seiner offenbar vom kenianischen Geheimdienst erzwungenen Ausreise war Öcalan dann am 15. Februar türkischen Agenten übergeben und in die Türkei gebracht worden. Die Affäre hatte die griechische Regierung in außenpolitische Schwierigkeiten gebracht und das ohnehin gespannte Verhältnis zur Türkei weiter verschärft.
Am Mittwoch war die griechische Luftwaffe mehrere Minuten in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden, nachdem türkische Kampfflugzeuge den griechischen Luftraum über der Ägäis verletzt hatten. Verteidigungsminister Akis Tsochatsopoulos sagte am Donnerstag: «Die Grenzen der akzeptablen und normalen Konfrontation sind ausgeschöpft.» Noch am Donnerstag wurde ein Gesandter des US-Außenministers, Thomas Miller, in Athen erwartet. Er will mit der Regierung die Spannungen mit der Türkei erörtern.
Unterdessen erklärte Öcalans Anwalt Ahmet Zeki Okcuoglu, seinem Mandanten gehe es körperlich und geistig gut. Er werde zweimal pro Tag von einem Arzt untersucht, sagte Okcuoglu nach einem Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali. Gerüchte, wonach er einen Herzanfall erlitten habe, seien von Öcalan selbst dementiert worden.
 

AP, 11.03.1999, 14:21

Prominente fordern Freilassung von PKK-Chef Öcalan
Kein faires Verfahren in der Türkei gewährleistet
Bonn (AP) Prominente Vertreter der Internationalen Initiative «Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan» haben die Freilassung des inhaftierten PKK-Führers gefordert. Der israelische Schriftsteller und Friedensaktivist Uri Avnery und die Witwe des ehemaligen französischen Staatspräsidenten, Danielle Mitterrand, riefen am Donnerstag in Bonn die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, sich für ein rechtsstaatliches Verfahren gegen Öcalan vor einem internationalen Gerichtshof einzusetzen.
In ihrem Appell forderten sie weiter die Entsendung einer internationalen Beobachterdelegation in Begleitung einer unabhängigen Ärztedelegation sowie die Einberufung einer Internationalen Kurdistan-Konferenz. Die Türkei müsse unverzüglich den Krieg gegen die Kurden einstellen und mit der kurdischen Seite in Dialog treten.
Avnery betonte, der Kampf der Kurden sei legitim und erlaube die Anwendung von Gewalt. Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) sei durchaus mit den jüdischen Untergrundorganisationen in Palästina in den 40er Jahren vergleichbar, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Gewalt und Terror für die Gründung eines jüdischen Staates gekämpft hätten.
Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech kritisierte, kurdische Veranstaltungen fänden in Deutschland nahezu unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Kurdische Aktivisten würden dadurch regelrecht zu gewalttätigen Aktionen gezwungen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Mitterrand fügte hinzu, die Weltgemeinschaft habe alle Möglichkeiten, in den Konflikt einzugreifen und ihn zu beenden. Sie müsse nur endlich handeln.
 

AP, 11.03.1999, 10:17

Bisher unbekannte kurdische Gruppe bekennt sich zu Anschlägen
Bombenattentate in Istanbul
Istanbul (AP) Eine bisher unbekannte kurdische Organisation hat sich zu den Bombenanschlägen in Istanbul vom Mittwoch bekannt. Die Zeitung «Hürriyet» berichtete am Donnerstag, ein Bekenneranruf der Nationalistischen Kurdischen Rachegruppe sei eingegangen. «Von jetzt an wird kein Türke mehr in Frieden schlafen», habe der Anrufer gesagt.  Die Organisation könnte eine Abspaltung der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) sein, deren Führer Abdullah Öcalans in einem türkischen Gefänis sitzt. Andere Zeitungen berichteten, die linksgerichtete Türkische Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee habe sich zu den Anschlägen bekannt.
Zwei Bomben explodierten innerhalb von wenigen Stunden am Mittwoch im Istanbuler Stadtteil Bakirköy. Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur Anatolia meldete, war der zweite Sprengsatz in einem Auto versteckt, das auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums abgestellt war. Der Agentur zufolge wurde niemand verletzt. Bei der ersten Bombenexplosion am Mittag wurde ein Mensch getötet, acht weitere Personen wurden verletzt. Die Explosion ereignete sich vor einer Klinik nur wenige Meter von einem belebten Einkaufszentrum entfernt.
 

AP, 10.03.1999, 17:26

UN-Ausschuß «zutiefst alarmiert» über Diskriminierung von Kurden
Genf (AP) Der UN-Ausschuß zur Abschaffung von Rassendiskriminierung hat sich am Mittwoch «zutiefst alarmiert» über Menschenrechtsverletzungen an den Kurden geäußert. Die 18 Mitglieder des Ausschusses veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der sie ihre Besorgnis über die Unterdrückung der Gundrechte und der Identität der Kurden als eigenständige Volksgruppe zum Ausdruck brachten.
Den Kurden müsse - wo auch immer sie sich aufhielten - ermöglicht werden, in Würde zu leben und ihre Kultur zu bewahren sowie «ein angemessenes Maß an Autonomie» zu genießen. Der Ausschuß ist derzeit damit beschäftigt, Maßnahmen zum Kampf gegen Diskriminierung seitens einiger der 150 Staaten zu überarbeiten, die sich 1969 in der Internationalen Konvention zur Abschaffung aller Formen von Rassendiskriminierung zusammengeschlossen haben. Die Türkei, in deren Südosten die Kurden ihre Autonomie fordern, trat der Konvention nicht bei. Dem Kampf zwischen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und türkischen Regierungstruppen fielen in den vergangenen 15 Jahren rund 37.000 Menschen zum Opfer.