Neues Deutschland 10.3.99

Ist eine Abschiebung wegen Geldspenden für die PKK rechtens?
Kampf um Abschiebeschutz in Deutschland/Bundesrichter prüfen Kriterien

Von Uwe Kalbe
Während am Dienstag in Berlin das Bundesverwaltungsgericht über Klagen von Kurden verhandelte, denen die Abschiebung wegen PKK-Unterstützung droht, sind mehrere Abschiebungen bereits erfolgt, weitere stehen offenbar unmittelbar bevor.

Darf ein Mensch in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm von staatlicher Seite Gewalt und Verfolgung drohen? Diese Frage, die vor Jahren von den zuständigen Behörden noch mit einem klaren Nein beantwortet worden wäre, beschäftigt seit gestern das Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Ein Urteil wurde für den 30. März angekündigt, es wird den Charakter einer Grundsatzentscheidung tragen. Seit den Protesten von Kurden nach der Entführung, von PKK-Chef Öcalan sind die Rufe nach Abschiebung von »Terroristen« wieder lauter geworden.
Die Rechtslage ist strittig. Auch bei der allein juristischen Bewertung, so zeigt sich, kommt es zu verschiedenen Bewertungen. Die Aussage des Vorsitzenden Richters des 9. Senats, Friedrich Seebass, nach der Verhandlung läßt das Bemühen um differenzierte Sicht erkennen: »Wir werden nicht die pauschale Auffassung vertreten, die PKK ist eine terroristische Organisation und wer diese unterstützt, kriegt kein Asyl«. Das Gericht muß klären, ob bereits Spendenaktionen für die, PKK oder illegale Demonstrationen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik begründen.
Erst in der letzten Woche hatte das Bundesverfassungsgericht dem Antrag eines Kurden auf Anerkennung als Asylbewerber stattgegeben, die ihm von den vorherigen Instanzen verweigert worden war. Zweifelsfrei stand bei dem kurdischen Kläger fest, daß er die PKK unterstützt hatte, zwei seiner Söhne in deren Reihen kämpften. Er, selbst war in der Türkei verhaftet und gefoltert worden - für die Richter Anhaltspunkte einer politischen Verfolgung.
Eine solche machen die meisten Asylbewerber geltend, eine Gewähr für ihre Anerkennung ist dies nicht, nicht einmal für den Schutz vor Abschiebung. Im Schatten der rigorosen Drohungen von Politikern, die von Bundesaußenminister Otto Schily mit dem Hinweis auf Ausnahmen bei Folterstaaten kaum abgemildert werden, sind Abschiebungen längst geschehen, stehen weitere bevor.
So wurde der Fall eines 17jährigen in Berlin bekannt, der unter dem Vorwand einer Anhörung am Morgen des 1. März von drei Beamten in Zivil aus der Wohnung seiner Freundin abgeholt wurde und bereits vier Stunden später im Flugzeug nach Istanbul saß. Nach seiner Ankunft wurde Murat G. vier Stunden verhört und dabei auch geschlagen, wie er später telefonisch seiner bangenden Freundin in Berlin mitteilte. Auch er hatte in seinem abgelehnten Asylantrag geltend gemacht, in der Türkei wegen, PKK-Unterstützung gefoltert worden zu sein. Hinzu kommt in seinem Fall, daß er als 17jähriger den besonderen Abschiebeschutz von Minderjährigen genießen müßte.
Zwischen der Ablehnung als Asylbewerber und Abschiebung liegen jedoch juristische Hürden. Selbst im Fall einer Ausweisung kann die Abschiebung nicht ohne weiteres vollzogen werden. Im Paragraphen 51, Absatz 1 des Ausländergesetzes heißt es.  »Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. « Dann tritt das sogenannte kleine Asyl in Kraft, das einen Aufenthaltsstatus von geringerem Gewicht verschafft, wie etwa Duldung oder Aufenthaltsbefugnis.
Auch Ausnahmen davon regelt das Ausländerrecht. Abschiebeschutz besteht danach nicht, wenn von einer Person eine Bedrohung der inneren Sicherheit in Deutschland ausgeht oder sie zu einer Haftstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Im Absatz 3 des gleichen Paragraphen 51 heißt es: »Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist ... «. Während für Murat eine solche Gefährdung nicht geltend gemacht werden kann - er beteiligte sich gar nicht an den Kurdenprotesten - sind andere wegen dieser akut bedroht.
So verdankt Recep Öz" der sich am Dienstag bereits den 22. Tag im Hungerstreik befand, nur seinem persönlichen Einsatz und der Hilfe von deutschen Menschenrechtlern, daß er noch nicht abgeschoben wurde. Nach den Protesten von Kurden in Berlin verhaftet, wurde er in die Abschiebehaft in Büren verlegt, wo er inzwischen deutliche Zeichen des Hungerstreiks trägt. Kreislaufschwächen und Muskelkrämpfe häufen sich, für umso unverantwortlicher halten seine Unterstützer eine. Abschiebung. Am Montag morgen legte die Ausländerbehörde Recep Öz ein Schriftstück zur Unterschrift vor, auf dem er nach einer Abschiebung einer Benachrichtigung des Menschenrechtsvereins IHD zustimmen sollte. Höchster Alarm bei seinen Unterstützern. Die scheinbare Sorge um seine Rechte hätte immerhin beinhaltet, daß er den Bedingungen der Abschiebung zustimmt, die er gerade vermeiden will. Er verweigerte die Unterschrift mit dem Hinweis darauf, daß die Mitarbeiter des IHD derzeit selbst massiver Verfolgung ausgesetzt sind. Derzeit verhindert offenbar eine an den Landtag in Düsseldorf gerichtete Petition noch die Abschiebung.
Möglicherweise bedeutet der Spruch des Bundesverwaltungsgerichts Ende März eine Stärkung seiner rechtlichen Position. Darauf dürften auch jene beiden kurdischen Flüchtlinge hoffen, die am Montag einen Hungerstreik, ebenfalls in Bürener Abschiebehaft, begannen. Sie waren kurz zuvor aus dem seit einem Jahr im Rheinland anhaltenden Wanderkirchenasyl heraus verhaftet worden.