junge Welt 11.03.1999

Urteil gegen Eva Juhnke bestätigt
Türkei: Revisionsgericht bestätigt Haft für Hamburger Internationalistin

Die Hamburgerin Eva Juhnke wurde im September vergangenen Jahres in der kurdischen Stadt Van zu einer Haftstrafe von 15 Jahren wegen PKK-Mitgliedschaft vor dem türkischen Staatssicherheitsgericht (DGM) verurteilt. Weil dem dreiköpfigen Richtergremium ein Militärrichter angehört, wurde mehrfach Klage gegen die DGM beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) erhoben.
Im Juni des vergangenen Jahres entschied der EuGHMR, die DGM seien mit Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention - Anspruch der Angeklagten auf ein faires Verfahren - nicht vereinbar. Trotz dieses Urteils arbeiteten die DGM weiter. Daraufhin entwickelte sich breiter Protest in der Türkei, dem sich Prominente, Politiker, Anwälte und sogar Richter der DGM anschlossen. Die politischen Gefangenen boykottierten ihre Prozesse vor den Staatssicherheitsgerichten. So auch Eva Juhnke. Obwohl sie als Angeklagte das Recht auf das letzte Wort gehabt hätte, wurde sie am 17. September 1998 in Abwesenheit verurteilt. Ihre Anwälte legten wegen Formfehler Revision gegen das Urteil beim Kassationsgericht des Obersten Gerichtshofes der Türkei ein. Am Mittwoch bestätigte das Revisionsgericht in Ankara das Urteil. »Gott sei Dank, nun ist es ausgestanden«, kommentiert Evas Mutter, Doris Juhnke, das Urteil gegenüber junge Welt. »Mit diesem Prozeß ist das Verfahren in der Türkei abgeschlossen, und Evas Anwälte können Klage beim EuGHMR erheben, weil sie nicht in der Türkei, sondern auf irakischem Gebiet verhaftet wurde und auch keine türkische Staatsbürgerin ist.« Der Antrag ihrer Anwälte, deshalb den Prozeß vor einem internationalen Gericht zu führen, wurde gleich zu Beginn des Verfahrens abgelehnt.
Seit Oktober letzten Jahres sitzt Eva Juhnke in der geschlossenen Strafvollzugsanstalt in Batman ein. Von den fast 1000 Gefangenen dort sind knapp 200 aus politischen Gründen inhaftiert. Nachdem im Januar ein Mithäftling an einem Herzinfarkt gestorben war, weil ihm die Sicherheitskräfte medizinische Hilfe verweigerten, wandten sich die Gefangenen aus Batman mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit: »Die Soldaten, die für die Außensicherheit zugeteilt sind, verhindern teilweise die Transporte zu den außerhalb gelegenen Krankenhäusern. Sie mißhandeln die Gefangenen während der Transporte und behindern die Untersuchungen, indem sie beispielsweise die Handschellen nicht abnehmen.« Mangelnde hygienische Vorsorge und die fehlende medizinische Versorgung führten bei vielen Inhaftierten zu chronischen Krankheiten, heißt es weiter. Einen Gefängnisarzt gebe es nicht und, die Mediziner in den Krankenhäusern außerhalb beschimpften die Patienten häufig nur, statt sie zu behandeln.
Seit am 16. Februar PKK-Chef Abdullah Öcalan in Kenia gekidnappt und in die Türkei verschleppt wurde, befinden sich die politischen Gefangene im Hungerstreik. Ende Februar wandelten Eva Juhnke und zwanzig weitere Häftlinge den Hungerstreik in Todesfasten um.
»Inzwischen hat es von der Parteiführung einen Aufruf gegeben, das Todesfasten zu beenden«, so Doris Juhnke. »Aber es ist nicht klar, wie weit das in die Knäste reingetragen wurde. In Batman beispielsweise hatte vor drei Wochen zum letzten Mal ein Anwalt die Möglichkeit zu einem Besuch. Da ging es allen gut. Aber ich habe absolut keine Informationen darüber, wie es Eva jetzt geht. Ich habe eine Besuchserlaubnis für kommenden Montag, aber ich kann nicht einschätzen, ob ich überhaupt in die kurdischen Gebiete komme. Normalerweise gilt absolutes Einreiseverbot, einen Flug nach Diyarbakir haben wir nicht bekommen. Die Inlandsflüge nach Kurdistan sind für Touristen gesperrt. Jetzt versuchen wir, mit dem Bus zu reisen.«
Birgit Gärtner