junge Welt 08.03.1999

Bestätigung der Abschiebepolitik
Kamingespräche der Innenminister der Bundesländer in Dresden

Die Innenminister der Bundesländer werden im wesentlichen an der bisherigen repressiven Flüchtlingspolitik festhalten. Bei »Kamingesprächen« am Freitag abend in Dresden mit Bundesinnenminister Otto Schily verständigten sie sich lediglich darauf, in Einzelfällen mehr humanitäre Gesichtspunkte gelten zu lassen. »Es geht um Menschen, nicht um Regeln«, bekräftigte Hans Koschnick, Bundesbeauftragter für die Rückführung der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina. Ein prinzipielles Beharren auf deren Rückkehr bedeute nicht, daß automatisch alle der 90 000 verbliebenen Flüchtlinge gehen müßten. Man werde Rücksicht auf die »schwache zivile Entwicklung« und auf traumatisierte Flüchtlinge nehmen. Hinsichtlich der Abschiebung gewalttätiger PKK- Anhänger wollte sich der Bundesinnenminister nicht abschließend äußern. Man sei gewillt, Verfassung und Völkerrecht zu achten, Menschen also nicht in Länder abzuschieben, wo ihnen Folter und Tod drohen. Der Briefwechsel zwischen seinem Vorgänger Kanther und dem damaligen türkischen Innenminister sei als Entscheidungsgrundlage jedenfalls fragwürdig. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski bezeichnete den Briefwechsel dagegen als gültige Rechtsgrundlage. Abschiebungen seien möglich, ohne daß dafür die Rechtslage geändert werden müsse. Niedersachsen habe bereits 200 Kurden abgeschoben. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) hatte nach den Protesten von PKK-Sympathisanten eine Gesetzesinitiative angekündigt, um gewalttätige Demonstranten auch ohne rechtskräftiges Urteil ausweisen zu können.
Seit der Festnahme Öcalans hat es deutschlandweit vier Abschiebungsfälle von Kurden gegeben. Völlig offen ist noch das Verhalten der Innenministerkonferenz gegenüber den Kosovo-Flüchtlingen. Ihre Zahl ist bereits auf 180 000 angewachsen. Man könne nur hoffen, daß es dort nicht zum »Kladderadatsch« kommt, formulierte Hans Koschnick, »sonst könnte es grausig für Europa werden«.
Michael Bartsch, Dresden