Berliner Zeitung 8.3.99
Kurden klagen auf Schutz vor Abschiebung in die Türkei
Grundsatzverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Von Sigrid Averesch

BERLIN, 7. März. Die politische Debatte um schnelle Abschiebungen von PKK-Anhängern ist mit den Ausschreitungen vor drei Wochen neu entfacht worden.  Vor allem Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) dringt auf eine verschärfte Abschiebepraxis. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Abschiebung beschäftigen nun das Bundesverwaltungsgericht. Von Dienstag an wird es klären, ob und unter welchen Bedingungen PKK-Anhänger Schutz vor der Abschiebung in die Türkei erhalten.
Nach geltendem Ausländerrecht dürfen Ausländer zwar nicht in ein Land abgeschoben werden, wenn sie dort wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugung verfolgt werden. Doch das Verbot kennt Ausnahmen. So können politisch Verfolgte abgeschoben werden, wenn sie die innere Sicherheit gefährden oder wenn sie rechtskräftig zu einer Haftstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden.
Rein politische Unterstützung
Vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es vor allem um die Frage, ob eine rein politische Unterstützung der PKK eine Abschiebung rechtfertigt. Dazu liegen am Dienstag zwei Klagen vor. So hatte ein 35jähriger die PKK finanziell unterstützt und an einer unangemeldeten Demonstration teilgenommen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe gewährte dem abgelehnten Asylbewerber keinen Abschiebeschutz, weil der Mann durch den Einsatz für die PKK eine Gefahr für die innere Sicherheit darstelle. Mit derselben Argumentation verweigerte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim einem 34jährigen Kurden, der für die PKK Spenden gesammelt hatte, den Abschiebeschutz, obwohl die Richter davon ausgingen, daß der türkische Geheimdienst über die Aktivitäten des Kurden informiert sei und er deshalb in der Türkei verfolgt werden könne. In einem dritten Fall, der am 16. März verhandelt wird, geht es um die Abschiebung eines Kurden, der wegen PKK-Mitgliedschaft zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
Bewertung der PKK
Bei der Beurteilung dieser Klagen wird auch die Bewertung der PKK durch deutsche Behörden eine Rolle spielen. Die Organisation war nach neunjähriger legaler Arbeit 1993 vom Bundesinnenministerium als verfassungsfeindlich verboten worden. Die Generalbundesanwaltschaft wiederum schätzte damals die PKK-Führung – nicht die gesamte Partei – als terroristische Vereinigung ein.  Nachdem die PKK-Spitze ihren Gewaltverzicht erklärt hatte, wurde sie Anfang 1998 als kriminelle Vereinigung eingestuft. Eine Bewertung, von der der Generalbundesanwalt auch nach den jüngsten Krawallen nicht abrückte.
Zwar wird dem Urteil der Bundesverwaltungsrichter grundsätzliche Bedeutung für die Gewährung von Abschiebeschutz zukommen. Doch selbst wenn PKK-Anhänger ihn verlieren sollten, muß in jedem Einzelfall geklärt werden, ob „Abschiebehindernisse“ bestehen. So darf ein Ausländer nicht in einen Staat ausgeliefert werden, in dem ihm Folter oder Todesstrafe drohen.