Berliner Zeitung 4.3.99
ABSCHIEBUNG
Hungerstreik
Der Kurde Recep Öz sitzt in Büren (Nordrhein-Westfalen) in Abschiebehaft. Sein Rechtsschutz sei abgelaufen, heißt es. Öz war am 17. Februar in Berlin verhaftet worden und befindet sich seitdem im Hungerstreik.
In Düsseldorf protestiert die Kurdin Sevgi Pirol seit dem 17. Februar mit einem „Todesfasten“ gegen den Krieg in Kurdistan. 

 
 

Nach den Krawallen schiebt NRW den ersten Kurden ab Proteste von Hilfsorganisationen / Neues Urteil

aus Karlsruhe
Von Sigrid Averesch
KÖLN/BERLIN, 3. März. Nach den bundesweiten Protestaktionen von Kurden gegen die Verschleppung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan vor zwei Wochen ist der erste Kurde in die Türkei abgeschoben worden. Wie das nordrhein-westfälische Innenministerium am Mittwoch bestätigte, hatte sich der 28jährige an der Besetzung der SPD-Zentrale in Köln beteiligt und war wegen abgelaufener Papiere in Abschiebehaft genommen worden. Die Aktion löste scharfe Proteste von Hilfsorganisationen aus. Der „Kölner Flüchtlingsrat“ erklärte, die Abschiebung von Kurden in die Türkei sei strafbar, weil ihnen dort „die konkrete Gefahr der Folter“ drohe. Der Sprecher der Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“, Heiko Kaufmann, sagte, mit „der völkerrechtswidrigen Abschiebung“ helfe Deutschland „dem Folterstaat Türkei“. Der Kurde müsse nun fürchten, in der Türkei wegen „Separatismusverdachts“ verfolgt zu werden.
Die Mißhandlung von PKK-Sympathisanten in der Türkei kann nach einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen Asylgrund darstellen. „Eine (angebliche) Terrorismusbekämpfung“ könne „staatlichen Gegenterror (...) nicht rechtfertigen“, heißt es in dem Beschluß. Die erste Kammer des zweiten Senats gab damit einer Klage eines Kurden gegen die Ablehnung seines Asylantrags statt. (Aktenzeichen: 2 BvR 86/97)
Der 54jährige war in der Südost-Türkei fünfzehn mal verhaftet und einmal gefoltert worden, weil er die PKK finanziell unterstützt hatte. In Deutschland wurde sein Asylantrag abgelehnt. Diese Entscheidung hatte das Lüneburger Verwaltungsgericht bestätigt. Die Folter wertete es als strafrechtliche Sanktion.
Demgegenüber stellte das Bundesverfassungsgericht in dem im Januar gefällten Beschluß klar, daß gerade politische Verfolgung unter den Schutz des Asylgrundrechts fällt. Deshalb hätten die Lüneburger Richter die Festnahmen und die Folter berücksichtigen müssen. Beides könnte zum Ziel gehabt haben, die im Einzelfall festgestellte oder generell bei allen Kurden in Südostanatolien vermutete Sympathie mit der PKK „durch Anwendung menschenrechtswidriger Gewalt und fortwährende Schikanen zu bekämpfen“. Nun muß das Verwaltungsgericht Lüneburg erneut über den Asylantrag befinden. (sav./AFP)



Rat gegen Abschiebung
Kurden drohe Folter

Der Berliner Flüchtlingsrat hat erneut einen Abschiebestopp für Kurden in die Türkei gefordert. Mit einer Abschiebung werde derzeit Folter in Kauf genommen, teilte die Initiative am Mittwoch mit. Es seien bereits mehrere Folter-Fälle von aus Deutschland ausgewiesenen politisch verfolgten Kurden in der Türkei dokumentiert. Nach Angaben des Rates befindet sich der kurdische Asylbewerber Recep Öz bereits seit 15 Tagen im Hungerstreik. Öz sei aus der Abschiebehaftanstalt Grünau nach Büren in Nordrhein-Westfalen verlegt worden. Im Fall einer Abschiebung sei wegen seines politischen Engagements sein Leben in Gefahr. (epd)