DAS DEUTSCHE ASYLRECHT, EIN HAUFEN PAPPE
und Hunderttausende ganz realer Menschen

 Kirchenasyl in Göttingen
An einer Wand in der Kapelle der katholischen Hochschulgemeinde Göttingen lehnen seit kurzem zehn Figuren aus Pappe. Sie stehen für die zehn Menschen, die sich seit dem 27. Januar im Kirchenasyl befinden, nämlich die KurdInnen Zeynep und Nesret Boz, Menduh Boz, Emin Acar, Senayi Yiðit, Hamza und Esma Kardaþoðlu mit ihren Kindern Ali Yaþar, Orhan und Rohat (7, 4 und 2 Jahre alt). Nach der Ablehnung ihrer Asylanträge durch die deutschen Behörden und Gerichte haben sie in der Kirche Schutz vor der drohenden Abschiebung in die Türkei gesucht. Es handelt sich dabei um eine Entscheidung, welche enorme Belastungen für die beteiligten Menschen bedeutet, die für lange Zeit auf engstem Raum ohne jede Privatsphäre zusammenleben müssen. Eine Entscheidung, die, wie das mittlerweile über ein Jahr dauernde Wanderkirchenasyl in NRW und 16 weitere Fälle in Niedersachsen gezeigt haben, durchaus keine berechtigte Hoffnung zumindest auf eine Einzelfallösung für die Teilnehmer birgt. Die trotz der Unterstützung von Kirchen, Menschenrechtsinitiativen und anderen politischen Gruppen bisher keinen einzigen Politiker dazu gebracht hat, ernsthaft über Anerkennung und einen generellen Abschiebestop für kurdische Kriegsflüchtlinge nachzudenken. Eine Entscheidung für eine unerträgliche Situation, zu der aber keine Alternative existiert.
Deutsche Zulieferung, deutsche Entsorgung
Tatsächlich besteht die Praxis der deutschen Regierung darin, die gewaltige Zahl der aus Kriegsgebieten in die BRD geflohenen Menschen wie einen Berg Altpapier zu entsorgen. Der existierende Unterschied zwischen Pappfiguren und Menschen ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Daß sie selbst die zur Produktion dieses „Abfalls“ nötigen Bedingungen sowohl schafft als auch unterstützt, gibt ihr dabei nur begrenzt zu denken. Wo gehobelt wird, fallen ja bekanntlich Späne. Waffenbestände aus der ehemaligen DDR an die Türkei zu liefern, stand der alten Regierung gut zu Gesicht - und um die Kontinuität zu wahren, steht auch der neuen Führungsriege bereits eine Anfrage deutscher Rüstungsfirmen über die Auslieferung von 200 neuen Panzern ins
Haus*. Natürlich ist auch den Gebern bewußt, daß die Türkei genau diese Waffen benutzt, um sie gegen die Bevölkerung der kurdischen Gebiete innerhalb ihrer Grenzen und denen des Irak einzusetzen, sie einzuschüchtern, zu vertreiben und zu töten. Ein Geschäft, das sich lohnt!
Das gelegentliche Herumwedeln mit Menschenrechtsbestimmungen vor der Nase der türkischen Regierung ist angesichts der Tatsachen reiner Zynismus. In diesem Sinne läßt sich Schröder & Co. noch nicht einmal Inkonsequenz vorwerfen, ist es doch ihr in der Regierungserklärung festgelegtes Ziel, die Beziehungen zur Türkei zu verbessern. Das schließt mit ein, dem Verbündeten bei der „Terrorismus“bekämpfung im In- und Ausland nicht in die Parade zu fahren. Was dieser offene Annäherungsversuch Deutschlands an das türkische Regime für die Menschen bedeutet, gegen die diese Regierung einen derart brutalen und ungehinderten Krieg führt, kann man ermessen. Aber wer will das schon. Sicher ist, daß sich damit die Lage der Flüchtlinge innerhalb der deutschen Grenzen, denen bei Abschiebung Elend, Folter und Tod drohen, schlimmer denn je darstellt. Die BRD entsorgt - obwohl das Argument der „sicheren inländischen Fluchtalternative“ der blanke Hohn ist. Obwohl die Beweise über gefolterte und ermordete, über verschwundene und unauffindbare Menschen endlos sind.
Solidarität mit den Flüchtlingen!
Für die Flüchtlinge in der Göttinger Hochschulgemeinde bedeutet die deutsche Politik in jedem Fall auch weiterhin die größte Angst um ihre Sicherheit. Statt ihrer werden es die Pappkameraden sein, die von HelferInnen in die Innenstadt gebracht werden, um dort ein Zeichen des Protests gegen die gängige Abschiebepraxis in diesem besonderen Fall und im Allgemeinen zu setzen. Im Gegensatz zu ihren papiernen Abbildern haben die KurdInnen nicht die Möglichkeit, auf die Straße zu gelangen - sei es, um dem geschlossenen Raum eine Weile zu entkommen, sei es, um ihrem Widerstand gegen die Mißachtung ihres Rechts auf Asyl sowie der Lage ihres gesamten Volkes öffentlich kundzutun. Sie werden sich weiter in der Kapelle aufhalten und so die einzige Form von Protest ausüben, die ihnen im Moment noch zur Verfügung steht.
(K)eine Lösung für Kurdistan?
Sowenig die BRD je ein Problem damit hatte, sich ihres „Sondermülls“ zu entledigen, sowenig kümmert es sie, daß die ihr abgerungenen Einzelfallösungen die Ursache des Flüchtlingsstroms nicht bekämpfen. Natürlich wäre sie froh, käme auch nicht ein einziger Asylsuchender mehr auf deutschen Boden. An einer politischen Lösung für Kurdistan und damit auch für die Flüchtlinge ist sie jedoch nicht interessiert. Dennoch liegt genau an dieser Stelle das Problem. Es kann nicht nur darum gehen, sich um die in andere Staaten geflüchteten Menschen zu kümmern - und selbst das ist Deutschland ja bereits zuviel. Der Zusammenhang zwischen Millionen von Flüchtlingen und dem schmutzigen Krieg, der sie aus ihrem Heimatland vertreibt, ist unübersehbar. Daß dennoch keinerlei Konsequenzen von den ansonsten stets interventionsbereiten westlichen Ländern gezogen werden, demonstriert, daß in ihrer Interessenlage ein freies, selbstbestimmtes kurdisches Volk keinen Platz hat. Solange das politische Kalkül des Westens in Bezug auf Machtverteilung in der Region und der Profit, den der Krieg auch weiterhin verspricht, der Türkei in die Hände spielen, wird es von europäischer Seite keine Unterstützung für die KurdInnen geben. Warum auch.
Unterstützt den Befreiungskampf!
Aus dieser Erkenntnis kann man die Konsequenz ziehen, daß es nichts gebe, was man gegen die türkische Unterdrückung tun könne. Die Mitglieder der kurdischen Befreiungsbewegung PKK haben eine andere Wahl getroffen, indem sie 1984 den bewaffneten Kampf gegen den faschistischen türkischen Staat aufnahmen. Anders als die westlichen Staaten zum Beispiel im Kosovo hat die PKK das Ziel, eine Millionenbevölkerung von Unterdrückung und Elend zu befreien. Aus den genannten Gründen schafft sie sich damit jedoch in der übrigen Staatenwelt wenig Freunde. Kein Wunder daher, daß der PKK allseits der Zutritt auf das diplomatische Parkett verweigert wird. Wer wollte schon mit „Terroristen“ verhandeln, die nichts besseres zu tun haben, als einen „Kurden-Krieg“ auf deutschen Straßen anzuzetteln? Wo diese Probleme, da ist man sich einig, doch nun wirklich nichts zu suchen haben!

Wir fordern dazu auf, sich mit dem gerechten kurdischen Befreiungskampf als einer der wenigen Möglichkeiten des Widerstands gegen die imperialistischen Staatsgewalten zu solidarisieren. Für ein befreites Kurdistan!

Weg mit dem PKK-Verbot!
Keine Abschiebungen in Folter und Tod!
Bleiberecht für alle Flüchtlinge aus der Türkei!
Unterstützt die Familien Boz und Kardasoglu, Menduh Boz, Emin Acar und Senayi Yigit!
Gegen die Unterstützung des schmutzigen Krieges in Kurdistan durch den deutschen Staat!
Solidarisiert Euch mit dem kurdischen Befreiungskampf und seinen Organisationen!
Freiheit für Kurdistan!

Teilnahme an der Solidaritätsarbeit und finanzielle Hilfe für das Kirchenasyl werden dringend benötigt! Regelmäßige Treffen des Plenums der beteiligten Gruppen, bei dem Interessierte und Helfer willkommen sind, finden jeweils am Donnerstag, 16 Uhr in der Kapelle der khg, Stauffenbergring 6 statt.
Kurdistan-Solidarität Göttingen
Mitglied der Informationsstelle Kurdistan e.V. (ISKU)
Bundesweiter Zusammenschluß der Kurdistan-Solidaritätsgruppen