Frankfurter Rundschau, 26.02.1999

Aus Deutschland abgeschoben in die Türkei
Türkische Menschenrechtsvereine in Istanbul recherchierten das Schicksal von kurdischen Flüchtlingen
 Eine Dokumentation von Amke Dietert-Scheuer
Nach den zum Teil gewalttätigen Aktionen von Kurden als Reaktion auf die Festnahme von Abdullah Öcalan, ist in Deutschland erneut die Debatte über die rasche Abschiebung von ausländischen Straftätern entbrannt. Doch was erwartet die außer Landes gebrachten Menschen dann in der Türkei? Amke Dietert-Scheuer von der „Landes-arbeitsgemeinschaft MigrantInnen und Flüchtlinge“ der GAL Hamburg hat auf Basis der von türkischen Menschenrechtsgruppen bestätigten Angaben einige Schicksale von in die Türkei Abgeschobenen nachgezeichnet. Wir dokumentieren ihren Text in Auszügen.
1994 begann der türkische Menschenrechtsverein (IHD) Istanbul mit der Recherche von Abschiebefällen. Bisher wurde mehreren hundert Hinweisen auf problematische Abschiebungen nachgegangen. Teilweise erfolgten die Anfragen in größerem zeitlichen Abstand, wenn z. B. ein Abgeschobener in der Türkei nirgends aufgetaucht war. Angaben der Flughafenpolizei, die meist behauptet, der Betreffende sei innerhalb von 24 Stunden freigelassen worden, sind dann kaum noch nachprüfbar. Es ist ferner davon auszugehen, daß aus Angst vor weiteren Repressalien sich nur wenige Flüchtlinge, die nach ihrer Abschiebung festgenommen und mißhandelt wurden, an den Menschenrechtsverein wenden.
Einzelheiten der Behandlung nach Abschiebung werden meistens erst dann bekannt, wenn es den Betroffenen gelingt, wieder ins Ausland zu fliehen. Daher muß davon ausgegangen werden, daß die Anzahl der nach Abschiebung mißhandelten oder gefolterten Flüchtlinge die bekanntgewordenen Fälle weit überschreitet.
Im März 1995 wurde zwischen dem damaligen deutschen Innenminister Kanther und seinem türkischen Amtskollegen Mentese ein Konsultationsverfahren vereinbart, wonach vor Abschiebungen von deutschen Behörden in der Türkei angefragt werden kann, ob die abzuschiebende Person in der Türkei ein Strafverfahren zu erwarten habe. Bis zum Sommer 1998 hatte es nach Angaben des Auswärtigen Amtes insgesamt 292 Anfragen bei den türkischen Behörden nach drohenden Straf- oder Ermittlungsverfahren gegeben. Aus der Türkei seien 226 Antworten eingetroffen. Drohende Strafverfolgung habe sich „nur“ in 30 Fällen ergeben. Man habe nur 34 Personen nach einer Anfrage abgeschoben, deren weiteres Schicksal jedoch nicht verfolgt.
Im Februar 1998 wurde aus Hamburg ein Kurde abgeschoben, nachdem in dem Konsultationsverfahren die Zusicherung der Türkei eingeholt wurde, daß ihm kein Straf- oder Ermittlungsverfahren drohe. Der Betroffene wurde nach seiner Abschiebung insgesamt drei Mal festgenommen und mindestens einmal so schrecklich gefoltert, daß ihm die Schädeldecke barst.
Zusammengefaßt läßt sich feststellen, daß kurdische Flüchtlinge aus der Türkei in weit höherem Maße gefährdet sind, als dies üblicherweise in den Entscheidungen über ihre Asylanträge angenommen wird. Akute Verfolgungsgefahr besteht für Kurden, wenn sie in der Türkei prokurdischen Aktivitäten - insbesondere der Unterstützung der PKK - verdächtigt werden, sich geweigert hatten, Dorfschützer zu werden oder auf sonstige Weise ins Visier der Sicherheitskräfte geraten waren.  Gleiches gilt für jegliche exilpolitische Aktivitäten. Die in der Dokumentation dargestellten Fälle belegen, daß schon relativ geringfügige Aktivitäten, ja sogar der bloße Verdacht der Beteiligung an prokurdischen Aktivitäten zu Festnahme und Folter nach einer Abschiebung führen können. (. . .)
Fälle aus dem Jahr 1994:
Abdurrahman und Ayse Tekin:
Die Familie Tekin floh im September 1993 aus dem Ort Handak bei Cizre in die Bundesrepublik (Uppstadt-Weiher). Am 5. Januar 1994 wurde Familie Tekin nach Istanbul abgeschoben. Sie wurden festgenommen und am darauffolgenden Tag verhört. Herr Tekin wurde beschuldigt, die PKK unterstützt zu haben. Die Familie wurde am Nachmittag freigelassen. An der Busstation wurde Herr Tekin von drei Männern in Zivil in ein Auto gezerrt und mit verbundenen Augen an einen ihm unbekannten Ort gebracht. Dort wurde er 14 Tage in Einzelhaft gehalten. Er wurde geschlagen und beschuldigt, ein Terrorist zu sein und sollte Namen und Informationen über PKK-Mitglieder nennen. Bei den Befragungen wollten die Beamten Informationen über seine Aktivitäten in Cizre sowie in Deutschland erhalten. Sie schlugen ihn mit den Fäusten und einem Schlagstock, unterzogen ihn der ,falaka’ (Schläge auf die Fußsohle) und traten ihn. Herr Tekin wurde mit verbundenen Augen in einen Wagen gebracht und aus dem Auto geworfen.
Es gelang der Familie Tekin nicht, sich wieder in Cizre niederzulassen. Seit April 1996 ist sie wieder in Deutschland. Derzeit ist eine Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12. 5. 1997 vor dem Verwaltungsgericht Freiburg anhängig.
Murat Fani (geb. 1954 in Cizre) und seine Familie wurden in den frühen Morgenstunden des 17. 3. 94 nach Istanbul abgeschoben. Sie wurden 24 Stunden lang bei der Flughafenpolizei festgehalten. Nach der formalen Freilassung wurde Murat Fani noch am Flughafen von der politischen Polizei festgenommen. An den ersten drei Abenden der Verhöre wurde er geschlagen, so daß ihm ein Zahn im Unterkiefer zerbrach. Am 9. Tag wurde Murat Fani mit einer Augenbinde an einen dunklen Ort gebracht und freigelassen. Er fuhr noch in der gleichen Nacht zu seiner Familie nach Mersin. Im November 1994 wurde er dort erneut festgenommen und nach Verhören unter Folter unter dem Vorwurf, Angehörige der PKK unterstützt zu haben, in Untersuchungshaft genommen. Im Laufe des Verfahrens vor dem Staatssicherheitsgericht in Konya kam Murat Fani auf freien Fuß. Im Herbst 1995 flüchtete er erneut nach Deutschland und wurde als Asylberechtigter anerkannt.
Riza Askin floh 1993 in die Bundesrepublik. Er wurde am 7. Februar 1994 nach Istanbul abgeschoben. Am Flughafen wurden seine Sachen durchsucht. In seinem Koffer befanden sich Kleidungsstücke und andere Gegenstände mit PKK-Emblemen bzw. -farben (Mütze, Armbinde). Er wurde daraufhin festgenommen und einen Tag lang mit Schlägen und Stromstößen gefoltert. Dies wurde vom Auswärtigen Amt bestätigt.
Herr Askin unterschrieb unter Folter ein Geständnis, in dem er zugab, in der Bundesrepublik die PKK unterstützt zu haben. Er widerrief dieses Geständnis jedoch eine Woche später mit der Begründung, hierzu gezwungen worden zu sein. Ebenso sagte er aus, die Gegenstände in dem Koffer nicht zu kennen und den Koffer auch nicht selbst gepackt zu haben. Vielmehr haben nach seinen Aussagen die Polizeibeamten in der Bundesrepublik den Koffer in der Asylbewerberunterkunft gepackt. Herr Askin wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Unterdessen entschied das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, den Ablehnungsbescheid seines Asylantrages in Abwesenheit aufzuheben. Nach der Verurteilung ist Riza Askin in die Schweiz geflohen und wurde dort als Asylberechtigter anerkannt. (. .
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. . . aus dem Jahr 1996:
Yusuf Isik und M. Emin Senocak:
Yusuf Isik aus dem Dorf Sozyasi im Kreis Halfeti der Provinz Urfa wurde am 9. Januar von deutschen Beamten der türkischen Polizei übergeben. Die Flughafenpolizei behauptete, er sei freigelassen worden, Herr Isik tauchte jedoch nirgends in der Türkei auf. Der Vater R. Isik machte sich Sorgen um den Verbleib seines Sohnes und meldete sich beim IHD Istanbul. M. Emin Senocak floh 1991 in die Bundesrepublik und beantragte Asyl. Er wurde am 9. Februar 1996 mit dem Flugzeug nach Istanbul geschickt und am Flughafen festgenommen.  Von dort wurde er zur politischen Polizei in Fatih gebracht, wo seine Anwesenheit den Verwandten gegenüber jedoch geleugnet wurde.
Das in der obersten Polizeidirektion der Türkei im „Direktorat für Menschenrechte und Beziehungen zum Ausland“ im Dezember 1996 gegründete „Büro für die Recherche von verschwundenen Personen“ hat in einer Reaktion auf die Vielzahl von „Verschwundenen“, die in den Monatsberichten des Menschenrechtsvereins erwähnt wurden, weder zu Yusuf Isik noch zu Mehmet Emin Senocak irgendwelche Angaben machen können. Sie gehören zu 82 Fällen, in denen die Polizei angeblich keine Registrierung von Festnahmen feststellen konnte, u.a. weil Angaben zur Person unzureichend seien. Yusuf Isik und Mehmet Ekin Senocak müssen aber bei der Einreise durch die Flughafenpolizei registriert worden sein. Zudem sind in beiden Fällen neben den vollen Namen auch die Geburtsorte und die Daten der Festnahme bekannt, so daß sie von „dem Büro für die Recherche von verschwundenen Personen“ mit Leichtigkeit hätten aufgefunden werden können - wenn sie noch am Leben sind. (. .
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Hasan Kutgan kam im September 1992 nach Deutschland und wurde am 20.  Dezember 1996 abgeschoben. Bei der Flughafenpolizei traf er auf einen Kommissar, der ihn als „Terroristen“ beschuldigte, weil in seinem Heimatdorf im Januar 1992 ein Unteroffizier getötet worden war. Unter starken Schlägen wurde Herr Kutgan erst am Flughafen und dann bei der politischen Polizei gezwungen, Aktivitäten für die PKK (u. a. in Deutschland) einzugestehen. Er wurde der Bastonade unterworfen, seine Hoden wurden gequetscht und ihm wurde mit weiterer Folter gedroht.  Nachdem er das erste Geständnis über die Beteiligung an zwei Demonstrationen und Newroz-Feierlichkeiten widerrufen hatte, wurde er erneut geschlagen und ihm wurde gedroht, daß er aufgehängt werde, Stromstöße erhalte und daß ihm ein Polizeiknüppel in den After gesteckt und er unfruchtbar gemacht werde. Da ein Zellengenosse unter der Folter sehr übel zugerichtet worden war, legte Hasan Kutgan aus Angst erneut ein „Geständnis“ ab. In den fünf Tagen bei der politischen Polizei wurde er zwei Mal unter Schlägen und Bastonade verhört. Unter Hinweis auf die Folter widerrief Hasan Kutgan auch dieses „Geständnis“ sowohl vor der Staatsanwaltschaft als auch beim Haftrichter. Trotzdem kam er in Untersuchungshaft. Er wurde in der ersten Verhandlung am 2. April 1997 vom Staatssicherheitsgericht in Istanbul freigesprochen und freigelassen. (. . .)
. . . aus dem Jahr 1997:
Osman Akgün aus Nizip wurde am 10. 6. 1997 von München aus abgeschoben. Ein deutscher Journalist interviewte ihn am 30. 8. 1997 in Gaziantep. Bei seiner Abschiebung sollen BGS-Beamte verhindert haben, daß inkriminierendes Material (ein Schlüsselbund mit MED-TV-Emblem und ein Telefonbuch von Heyva-Sor) aus dem Gepäck entfernt wurde. Dafür wurde er in Istanbul zwei Tage lang unter Stockschlägen auf Rücken und Fußsohlen verhört. Ein Attest aus seiner Heimatstadt vom 18. 6. 1997 stellt Schürfwunden und blaue Flecken auf dem Rücken fest. Er wurde für einen Monat krank geschrieben.
Ahmet Alptekin (40) und seine Ehefrau Selime Alptekin (37) stammen aus dem Dorf Sivrice (zu Kurdisch Dalin) im Kreis Midyat der Provinz Mardin. Sie waren 1994 nach Deutschland geflohen. Am 23. Juli 1997 erfolgte die Abschiebung von Herr und Frau Alptekin zusammen mit fünf von sechs Kindern. Die Kinder kamen noch am Abend frei. Frau Alptekin wurde wegen des Vorwurfs der Unterstützung der PKK vor ihrer Ausreise befragt. Ahmet Alptekin wurde nach 2stündigem Aufenthalt am Flughafen mit dem Auto zu einem ihm unbekannten Ort gebracht. Bei verbundenen Augen wurde er unter Schlägen beschuldigt, die PKK unterstützt zu haben. Frau Alptekin wurde gegen Mittag und Herr Alptekin gegen 18 Uhr freigelassen, evtl. weil ein Freund 5000 Mark für die Freilassung der Familie bezahlt hatte.
Am nächsten Tag begab sich die Familie in ihr Heimatdorf. Am 31. Juli wurde Herr Alptekin auf dem Weg in die Kreisstadt von Dorfschützern und Angehörigen eines Spezialteams festgenommen. In ersten Verhören, in denen er geschlagen wurde, wurde ihm gesagt, daß er angezeigt worden sei. Später wurde Herr Alptekin zu einem anderen Ort gefahren, an dem er trotz Mißhandlungen und Drohungen kein Geständnis ablegte.  Zwei Nächte verbrachte Herr Alptekin an diesem Ort, bevor er wieder zum ersten Ort der Festnahme gebracht wurde.
Dieses Mal wurde er an ein Kreuz gebunden und aufgefordert, zu gestehen, die Guerilla unterstützt zu haben. Schließlich fiel er in Ohnmacht. Es folgten weitere Verhöre, allerdings ohne „Kreuzigung“.  Die ganze Zeit waren ihm die Augen verbunden, er war teilweise entkleidet und verspürte beim Erwachen aus der Ohnmacht ein „Brennen im ganzen Körper“.
Am 11. Tag nach seiner Festnahme wurde Herr Alptekin freigelassen, nachdem der Freund in Istanbul die Summe von 7.000,- DM bezahlt hatte.  Herr Alptekin ging nicht mehr nach Hause, sondern gleich nach Istanbul. Später begab sich die gesamte Familie nach Istanbul und kam zwischen Oktober und Dezember 1997 wieder nach Deutschland. Am 21. 7.  1998 wurde die Familie durch das VG Minden als Asylberechtigte anerkannt.
Der Kurde Ahmet Karakus wurde am 29. 8. 97 zusammen mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern von Stuttgart nach Izmir abgeschoben. In einem Koffer, den Beamte des Bundesgrenzschutzes nach Angaben der Familie gegen ihren Widerstand zu dem Reisegepäck genommen hatten, befanden sich u. a. Spendenbescheinigungen für die ERNK und Fotos von einer Domonstration in Düsseldorf vom 21. 4. 97. Bei der Einreise in Izmir wurde die Familie festgenommen. Nach zwei Tagen wurden die Ehefrau und Kinder freigelassen. Ahmet Krakus wurde wegen „Unterstützung der PKK“ in U-Haft genommen und in das Gefängnis von Nazilli eingewiesen. Am 2.  Verhandlungstag, dem 6. 11. 97, wurde Ahmet Karakus zu 3 Jahren, 9 Monaten Haft verurteilt.
Aligül Sahindal wandte sich am 6. August 1997 an den
Menschenrechtsverein in Istanbul. Er war am 13. Juni 1997 mit seiner Tochter in Handschellen aus Deutschland abgeschoben worden und wurde nachts gegen 2 Uhr der türkischen Polizei überstellt. Nach 7 Stunden bei der Flughafenpolizei wurde er der Abteilung zur Bekämpfung des Terrorismus überstellt. Seine Tochter wurde nach drei Tagen freigelassen. Nach seinen Angaben wurde er in der Polizeihaft nicht „systematisch“ gefoltert. Er sei Mißhandlungen wie beständigen Schlägen, Beschimpfungen, Ziehen an den Haaren und Beleidigungen ausgesetzt gewesen. Man habe ihm angeboten, für die Polizei als Spitzel zu arbeiten. Nach 21 Tagen sei er freigelassen worden. Er bat um Rechtsbeistand. Herr Sahindal hat am 14. 9. 1997 die Türkei erneut verlassen. Am 26. 1. 1998 entschied das VG Saarlouis, daß der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22.  12. 1997, mit dem die Durchführung eines erneuten Asylverfahren abgelehnt wurde, aufzuheben sei.
Habip und Hazar Demir wurden im September 1997 mit 6 Kindern aus Niedersachsen abgeschoben. Nach Berichten der damaligen Landtagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen, Heidi Lippmann-Kasten, über ihren Besuch in Istanbul hätten Verwandte die Kinder in Empfang genommen, während die Eltern Habip und Hazar Demir auf dem Istanbuler Flughafen verhaftet worden seien. Herr Demir sei dann gleich zu einer anderen Polizeidienststelle gebracht und verhört worden. Dabei hätten Polizisten den Kurden an den Füßen aufgehängt und auf die Fußsohlen geschlagen. Frau Lippmann-Kasten selbst habe die Narben auf den Sohlen und an den Gelenken gesehen. Nach zwei Tagen seien die Eheleute freigekommen, sie befürchteten jedoch die neuerliche Festnahme.
Der Kurde Halil Ibrahim Ciþek (30) wurde am 31. 10. 97 von Hamburg aus in die Türkei abgeschoben. Der Menschenrechtsverein in Istanbul fand heraus, daß Herr Ciþek vom Flughafen der Abteilung zur Bekämpfung des Terrorismus überstellt wurde. Hahil Ibrahim Ciþek war zuletzt im Juli 1995 in die Bundesrepublik gekommen und hatte einen Asylantrag gestellt. Aufgrund von erfolglosen Vorverfahren, Widersprüchen im Vortrag und der Verstrickung in BTM Delikte hatte sich das mit seiner Asylklage befaßte VG Dresden am 6. 10. 97 gegen eine einstweilige Anordnung zur Aussetzung der Abschiebung ausgesprochen. Eine Stellungnahme von amnesty international vom 24. 9. 97, in der es u. a.  heißt: „Er (Herr Ciþek) dürfte dem Verdacht der ,Unterstützung einer bewaffneten Bande’ ausgesetzt sein . . . Aufgrund der konkret drohenden Folter wendet ai sich gegen eine zwangsweise Rückführung“, hatte das Gericht als „wenig überzeugend“ abgetan. Am 2. November wurde Herr Ciþek zum SSG Istanbul gebracht und auf freien Fuß gesetzt.  Sein weiteres Schicksal bleibt ungewiß.
Der 1967 in der Provinz Bingöl geborene Abdurrahman Kiliþ wurde am 29.  November 1997 abgeschoben. Er wurde nach 4 Stunden Verhör am Flughafen freigelassen und ging nach Diyarbakir. Als er dort am 6. Dezember einen Bus nach Bingöl besteigen wollte, wurde er festgenommen und bis zum 14. Dezember von der politischen Polizei in Bingöl verhört.  Abdurrahman Kiliþ schilderte seinem Anwalt, daß er bei den Verhören splitternackt ausgezogen wurde, ihm wurden Stromstöße (u. a. an seinen Genitalien) gegeben, er wurde geschlagen, beschimpft und bedroht, daß nahe Angehörige (z. B. seine Ehefrau) gefoltert würden, wenn er nicht Angaben zu (mindestens 6) PKK-Militanten in Bingöl und/oder der Bundesrepublik Deutschland mache.
Offensichtlich ist das unter diesen Bedingungen abgegebene Geständnis eines der Beweismittel, das dem Verfahren mit der Anklageschrift vom 31. 12. 1997 zugrundeliegt. Herr Kiliþ wird als Organisationsmitglied beschuldigt, während drei weiteren Angeklagten die „Gewährung von Hilfe und Unterschlupf“ für die „bewaffnete Bande der illegalen Terrororganisation PKK“ vorgeworfen wird. Herrn Kiliþ wird u. a. zur Last gelegt, daß er in Berlin Bücher und Zeitschriften für die PKK verkauft habe, sich an vier Veranstaltungen der Organisation beteiligt und ihr dabei 3000,- DM an Unterstützung zukommen lassen habe. Gegen Herrn Kiliþ wurde ein Prozeß eröffnet und der Haftbefehl aufrechterhalten.
. . . aus dem Jahr 1998:
Mehmet Ali Akbas (32) aus Urfa/Viransehir wurde am 15. Januar 1998 aus Niedersachsen abgeschoben. Nach 9 Stunden bei der Flughafenpolizei wurde er am Busbahnhof plötzlich in ein Auto mit drei zivil gekleideten Personen gezerrt. Seine Augen wurden verbunden.
Nach Darstellung von Herrn Akbas wurden bis zu seiner Freilassung am 23. Januar folgende Foltermethoden angewandt: schwere Prügel, Schläge mit Fäusten, Fußtritte, kaltes, unter Hochdruck gespritztes Wasser, Elektroschocks und Nahrungsentzug. Die Verhöre bezogen sich u. a. auf Fragen nach Verwandten und deren Aktivitäten für die PKK und Fragen nach seiner Teilnahme an der „Besetzung“ des türkischen Konsulats in Hannover im Juni 1993. Den Vernehmenden war der Vorfall bekannt, obwohl das damals eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen ihn und weitere 33 Personen eingestellt worden war. Die Spuren der Folter wurden durch Attest des Gesundheitsamtes in Viransehir vom 2. 2. 1998, durch Photoaufnahmen und durch das Attest des Vertrauensarztes des Deutschen Konsulats Istanbul vom 16. 3. 1998 belegt. Herr Akbas konnte mit Hilfe des deutschen Konsulats in Istanbul wieder nach Deutschland kommen.
Imam Genlik, der aus dem Kreis Karakocan in der Provinz Elazig stammt, wurde am 23. Februar 1998 aus Hamburg abgeschoben. Vor der Abschiebung hatte auf Anfrage beim türkischen Konsulat in Hamburg die türkische Botschaft in Bonn mitgeteilt, daß Herrn Genlik in der Türkei keine Strafverfolgung drohe. Gleichzeitig erkundigte sich die Botschaft aber nach dem geplanten Abschiebetermin. Ob eine Mitteilung erfolgte, ist nicht bekannt. Allerdings soll laut Presseberichten seine Akte von der deutschen Polizei an die türkische Polizei am Flughafen in Yesilköy (Istanbul) übergeben worden sein. Dort wurde er drei Tage lang festgehalten und zu seinen Verbindungen zu kurdischen Institutionen in Deutschland befragt. Durch Schläge wurde ihm ein Zahn herausgebrochen und seine Lippe platzte auf.
Nach seiner Freilassung versuchte Imam Genlik, in seinen Heimatort Karakocan zu gelangen. Am 15. April 1998 wandte er sich an den IHD Istanbul und berichtete, er sei am 19. März auf dem Weg nach Karakocan bei einer Straßenkontrolle festgenommen und 6 Tage in Polizeihaft gehalten worden. Bei verbundenen Augen wurde er gefoltert: Er erhielt Stromstöße, man versuchte, ihn zu erdrosseln, er wurde der Bastonade (falaka) unterzogen, verprügelt und ihm wurden die Hoden gequetscht.  Infolge der Folter hatte er Frakturen am Schädel und auch seine Hüfte war in Mitleidenschaft gezogen. Daraufhin versuchte Imam Genlik erneut zu fliehen. Am 29. Mai 1998 wurde er am Flughafen Adnan Menderes (Izmir) festgenommen und sieben Tage lang bei der politischen Polizei festgehalten. Der zweite Fluchtversuch brachte ihn bis nach Bukarest (Rumänien). Das Bundesministerium des Inneren verweigert jedoch die rechtlich notwendige Genehmigung für die Ausstellung eines Paßersatzpapieres. Nach monatelangem Aufenthalt in Rumänien, was für Imam Genlik, der durch die Folter bereits schwer traumatisiert war, eine weitere erhebliche psychische Belastung darstellte, wurde er dort als politischer Flüchtling anerkannt. Mit dem Konventionspaß konnte er in die Bundesrepublik einreisen und erhielt in Hamburg eine Aufenthaltsbefugnis.
Süleyman Yadirgi, der erste Kurde, der Mitte März 1998 aus einem Kirchenasyl abgeschoben wurde, soll nach Informationen des IHD Istanbul nach seiner Ankunft drei Tage lang bei der Polizei festgehalten worden sein. Er kam im Mai 1998 in die Bundesrepublik zurück und wurde bei seiner erneuten Asylantragstellung am 25. Mai beim Bundesamt in Köln sofort in Abschiebehaft genommen.
Der 16jährige Mehmet Huley Bat wurde am 26. März 1998 abgeschoben.  Verwandte, die ihn am Flughafen abholen wollten, sahen, daß er von Zivilbeamten abgeführt wurde. Die Polizei verlangte später 5000,- DM für die Freilassung, die die Familie aber nicht aufbringen konnte.  Deshalb haben sie nichts mehr von ihrem Sohn gehört (. . .)
Der 1980 geborene Osman Demir wurde am 13. 7. 98 von Frankfurt aus nach Istanbul abgeschoben. Über Beziehungen und Bestechung soll ihm eine unproblematische Einreise gelungen sein. Osman Demir, der vor seiner Flucht im Jahre 1994 als Jugendlicher im Alter von 13-14 Jahren PKK-Kämpfer gewesen sein soll, konnte sich nach der Rückkehr ein paar Wochen bei Verwandten in Mersin und Mardin aufhalten, bevor er zu seinem Vater in das Dorf Düzova (kurdisch: Hoser), ca. 10 km von Cizre (Provinz Sirnak) entfernt, zurückkehrte. Schon nach 2 Tagen bekam der Vater Angst, daß die Ankunft seines Sohnes zu einer Razzia in seinem Haus führen könnte. Er ließ sich von dem Anführer der Dorfschützer in Düzova, Tahir Güven, eine Garantieerklärung für die Sicherheit seines Sohnes geben und übergab ihn den Sicherheitskräften. Osman Demir wurde in Cizre und Sirnak verhört. Anfang September 1998 begann sein Prozeß vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir.
Hüzni Almaz kam 1994 nach Deutschland und kehrte am 5. Juni 1998 nach erfolglosem Asylverfahren und Androhung der Abschiebung in die Türkei zurück. Er ging zu seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern in einem Dorf des Kreises Kiziltepe (Provinz Mardin). Herr Almaz besuchte nach eigenen Angaben am 19. 7. 1998 das Grab seines Vaters in einem Dorf des Kreises Derik und war bei einem Dorfschützer zu Gast. Dieser zeigte ihn bei der Gendarmerie an.
Auf der Gendarmeriewache wurde Herr Almaz Verhören über seine Aktivitäten in der Bundesrepublik unterzogen. In einem am 21. 7. 1998 im Gefängnis verfaßten Schreiben berichtete er, er sei „jeglicher Form von unmenschlicher Behandlung“ unterworfen worden und habe seine Aussage mit verbundenen Augen unterschreiben müssen. Nach dem Protokoll der Staatsanwaltschaft vom 20. 7. 1998 räumte Herr Almaz ein, sich an Aktivitäten der PKK in Deutschland beteiligt zu haben, um als asylberechtigt anerkannt zu werden. Er habe an Demonstrationen, Plakatieraktionen, Autobahnbesetzungen und Schulungen teilgenommen.  Des weiteren habe er bei kurdischen Unternehmern in der Bundesrepublik zusammen mit anderen Gelder für die PKK gesammelt. Sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch vor dem Haftrichter nannte Herr Almaz eine Reihe von Namen jener Personen, die als PKK-Aktivisten ihn zu diesen Tätigkeiten angehalten haben sollen. Darunter ist auch der Name seiner Frau Kinni Almaz.
Herr Almaz wurde in Untersuchungshaft genommen und befindet sich trotz seiner Beschwerde gegen die Haftanordnung noch immer in Haft. In der Anklageschrift vom 10. 8. 1998 wird Herrn Almaz Verstoß gegen   169 des türkischen Strafgesetzes, d. h. die Unterstützung einer bewaffneten Vereinigung, zur Last gelegt. Der Prozeß gegen Herrn Almaz hat am 29. September 1998 vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir begonnen.