Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 3, Jg. 12, 10.2.1999
 

Generalstaatsanwalt will Hadep-Verbot

Hadep: Anschuldigungen ohne Grundlage, Verfahren politisch
Am 29. Januar hat der türkische Generalstaatsanwalt Vural Savas beim türkischen Staatssicherheitsgericht ein Verfahren zum Verbot der HADEP eingeleitet. Die HADEP hat ein solches Verbot sofort als „größtmöglichen Schlag gegen die Demokratie“ in der Türkei zurückgewiesen. Der stellvertretende Vorsitzende der HADEP, Osman Özcelik, geht davon aus, daß das Verfahren acht Monate dauern wird. Die HADEP werde also zu den Wahlen kandidieren können. Am 3. Februar haben Anwälte der HADEP bereits einen Antrag bei Gericht eingereicht, das beantragte Verbot abzuweisen. Das Gericht entschied, die Beschuldigungen von Savas dem Vorstand der HADEP zuzuleiten. Die HADEP hat dann 30 Tage Zeit, auf die Vorwürfe zu antworten. Hier eine Zusammenfassung der ersten Berichte über das beantragte Verbot in „Özgür Politika“. (Red.)

Auf einer Pressekonferenz in der Zentrale der HADEP in Ankara erklärte der stellvertretende Generalsekretär der HADEP Özcelik, daß der Vorstoß zum Verbot der HADEP politisch sei. Er machte deutlich, daß mehrere Anklagen, die für das Verbot der HADEP herhalten sollen, mit einem Freispruch endeten. (...) Özcelik legte konkrete Informationen vor und erklärte, daß das Verbotsverfahren keinerlei rechtliche Grundlagen hat. Er betonte, daß der Vorstoß zum Verbot der HADEP vollständig politischen Hintergrund hat.
Er erklärte, daß die Anklageschrift deren Hauptinhalt das Verbot der HADEP ist, die der Generalstaatsanwalt Vural Savas am 29.1. dem Verfassungsgericht überreicht hat, der HADEP selber nicht offiziell übergeben wurde. Deshalb wissen sie nicht viel über den Inhalt der Anklageschrift. Für manche Anklagepunkte, die in Zeitungen veröffentlicht worden sind, wurde die HADEP und deren Vorsitzende freigesprochen.
Özcelik gab folgende Beurteilung ab: „Wie wir aus Zeitungen erfahren haben, wird in der Anklageschrift unter anderem folgendes angeführt:
das Verfahren, daß nach dem 2. HADEP-Kongreß gegen die Partei-Vorsitzenden eröffnet und in der Öffentlichkeit als „Fahnen-Verfahren“ (1) bekannt wurde.
Das Verfahren vor dem 2. Staatssicherheitsgericht in Ankara, wegen eines Kalenders von 1998, der von der Zentrale der HADEP herausgegeben worden war.
Der Hungerstreik am 18.11.98 (2) in unserer Zentrale wurde zum Vorwand genommen für Überfalle. Zusammen mit Menschen, die Lynchmethoden anwandten, wurden unsere Vorstandsmitglieder festgenommen und sie kamen ins Gefängnis. Vor dem 2.  Staatssicherheitsgericht wurde gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet.

Das Revisionsgericht sah bei den beiden ersten Punkten mit der Begründung „unzureichender Beweise“ nicht die Notwendigkeit, das Verfahren einzuleiten. Das wurde auch gegenüber der Öffentlichkeit bekanntgemacht.“ „Die HADEP ist wegen der verleumderischen Anschuldigungen freigesprochen worden. (3)
Seit der Einleitung des ‘Fahnen-Verfahrens’ gegen die HADEP sind bereits drei Jahre vergangen. Mit diesem Verfahren sollte bereits das Verbot der HADEP erreicht werden. Jedoch hat der Oberstaatsanwalt des Revisionsgerichtes erklärt, daß die Beweise nicht ausreichen würden.  Obwohl bei der Oberstaatsanwaltschaft Strafanzeige erstattet worden war, wurde ‘kein Verfahren eingeleitet, da die Beweise nicht ausreichen, um eine politische Partei zu verbieten’. Die gleiche Begründung wurde für das Verfahren hinsichtlich des Kalenders abgegeben.“

*Das Ziel ist, bei den Wählern Verwirrung zu stiften*
Özcelik erklärt, daß die HADEP eine Partei ist, die entsprechend der Verfassung geschaffen wurde und in ihrer Gesamtheit politische Aktivitäten ausübt. Sie ist bereit, Probleme auf Parlamentsebene zu diskutieren. Deswegen führt sie bei den allgemeinen und regionalen Wahlen ihre Vorbereitungen mit großer Genauigkeit durch. Das Verbotsverlangen gegen die HADEP bedeutet: „Wenn zu den Wahlen das Verbotsverfahren auf die Tagesordnung kommt, so wird damit das Ziel verfolgt, Verwirrung bei den Wählern zu stiften. „Statt Angst davor zu haben, daß die HADEP in den leidgeprüftesten Provinzen (den kurdischen Provinzen, d.Ü.) als einzige Partei dastehen wird, (die Wahl gewinnen wird, d.Ü.), sollte man gegenüber dem Willen der Bevölkerung Respekt haben. Es wäre noch verständlich, wenn die HADEP aufgrund der Wahlgesetze an der 10%-Hürde scheitern würde. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, daß für die Probleme, die entstehen, wenn mit unechten Beschuldigungen die ‘Justiz-Hürde’ vor der HADEP aufgebaut wird, kein Lösungsansatz gesucht wird. Es ist klar, daß mit den erhobenen Anschuldigungen keine politische Partei verboten werden kann. Selbst wenn die HADEP doch verboten werden sollte, so werden Millionen Menschen, die die Ideen der HADEP unterstützen, neue HADEPs gründen.“

*Bozlak: So arbeiten, als wenn man an den Wahlen teilnimmt*
Der Parteivorsitzende der HADEP Murat Bozlak, der wegen „Separatismus“ in Haft ist, erklärt, daß das Verlangen, die HADEP zu verbieten, die Teilnahme an den Wahlen nicht verhindert. Die HADEP Anhänger sollen ihre Arbeit so weiterführen, als wenn sie an den Wahlen teilnehmen.
Mit dem Verbotsantrag solle erreicht werden, daß die HADEP, die stark geworden ist, ihre Stärke verliert. Das werde aber nicht der Fall sein, da die Mitglieder noch viel mehr Aktivität an den Tag legen werden und auch die Unterstützung durch das Volk noch größer werde.  (H., nach „Özgür Politika“, 31.1.99)

Anmerkungen:
(1) Auf dem Parteikongreß, der 1996 stattfand, wurde die türkische Nationalfahne heruntergeholt und die ERNK Fahne gehißt. Es handelte sich dabei offensichtlich um eine gezielte Provokation. Danach wurden die damaligen Parteivorsitzenden festgenommen.
(2) Nachdem Abdullah Öcalan in Italien angereist war, fanden in allen HADEP-Büros Solidaritätshungerstreiks statt. Das wurde von den Sicherheitskräften zum Anlaß genommen, die Büros zu überfallen, die Menschen zu verprügeln und alle Vorstandsmitglieder der HADEP in Haft zu nehmen.
(3) Der „Freispruch“ bezieht sich nur darauf, daß die Anklagepunkte für das Verbot der HADEP nicht ausreichten.