junge Welt 27.01.1999

Washington baut Terrorgruppen auf
USA bereiten Sturz Saddam Husseins vor. Britische Eliteeinheit bildet aus

Mehrwöchiges Bombardement im Winter 1991, seit acht Jahren andauernde Sanktionen und der sogenannte Viertagekrieg im Dezember vergangenen Jahres haben die Machtposition des irakischen Präsidenten nicht gefährden können. Im Gegenteil. Geht es nach den Plänen der USA, sollen nun Terror-Einheiten von Exilirakis der Herrschaft Saddam Husseins ein Ende setzen. Die Planungen für Sabotageanschläge auf Straßen, Kommunikationseinrichtungen und Elektrizitätswerke im Irak laufen auf Hochtouren. Dies berichtete The Sunday Times am vergangenen Wochenende. Der britischen Zeitung zufolge läßt sich Washington den neuen Versuch, die irakische Führung gewaltsam auszutauschen, 97 Millionen Dollar kosten.
Erst in der vergangenen Woche sollen entsprechende Schritte zwischen sieben exilirakischen Oppositionsgruppen und der Regierung in Washington vereinbart worden sein. Die US-finanzierten und mit den notwendigen Waffen ausgestatteten Untergrundgruppen sollen neben gezielten Terroranschlägen Propagandamaterial verbreiten und Sympathisanten rekrutieren - sowohl aus der Zivilbevölkerung wie im Militär.
Während der britische Botschafter in Kuwait, Graham Boyce, erst am vergangenen Freitag in einem Interview mit der kuwaitischen Zeitung Al Kabas erklärte, daß London die irakische Opposition weder lenke noch bewaffne und auch nicht zum Aufstand gegen das Regime im Irak hinarbeite, berichtet The Sunday Times, Angehörige der britischen Eliteeinheit SAS (Special Air Service) würden die exilirakischen Terrorgruppen ausbilden. Auf dem Lehrplan stehen Sabotageaktionen und Guerillakriegsführung. Innerhalb der nächsten sechs Monate sollen die ersten Einheiten »einsatzbereit« sein. Die Trainingscamps für die 2000 bis 3000 irakischen US-Krieger sollen entweder in den USA oder im Golf liegen.
In der ersten Phase sollen im Sommer etwa 20 Gruppen, die jeweils 15 bis 20 Mann umfassen und von den USA mit leichten Waffen und Sprengstoff ausgerüstet werden, den Irak infiltrieren. Die Einheiten sollen zwar unabhängig voneinander operieren und eigenständig entsprechende Angriffsziele auswählen, sie würden aber über ein in den kurdischen Gebieten des Nordirak liegendes Hauptquartier koordiniert werden - das wiederum wäre von der US-Luftwaffe geschützt, die die sogenannte Schutzzone kontrolliert.  Die Koordination der untereinander zerstrittenen exilirakischen Gruppen zum Sturz Saddam Husseins soll der stellvertretende US-Botschafter in Ankara, Francis Ricciardone, übernehmen. Er wird von einem Team hochrangiger Militärs und politischer Berater unterstützt. »Zuschlagen und sich rasch entfernen« sei die Taktik der Terrorgruppen. Bei »minimalem Risiko« sollen sie »maximalen Schaden« anrichten. In einer späteren Phase ginge es darum, sogenannte befreite Enklaven im Land zu erkämpfen und zu halten, in die irakische Armeeangehörige desertieren könnten. Dort würde ein von den USA unterstütztes Schattenkabinett in Konkurrenz zu Bagdad etabliert. Die Terroraktionen sollen demnach die Position Saddam Husseins unterminieren, »den Stein ins Rollen bringen«, so ein in die Pläne involvierter US-General , und schließlich die irakische Bevölkerung gegen das Regime aufbringen.
Ob eine US-hörige Enklavenregierung in Irak indes die erwartete Unterstützung aus der Bevölkerung erfahren würde, ist mehr als skeptisch zu bewerten. Sind es doch vor allem die USA, die seit nunmehr über acht Jahren unerbittlich am Sanktionsregime gegen das Zweistromland festhalten und erst am Montag wieder die irakische Stadt Basra bombardiert haben.
Rüdiger Göbel