taz 27.1.1999

Die Türkei lehnt einen Umsturz im Irak ab

Ministerpräsident Ecevit verwahrt sich gegen US-Pläne, den Sturz Saddam Husseins von Ankara aus zu betreiben. Auch irakische Oppositionsgruppen sind trotz Finanzspritzen aus den USA zurückhalten

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
Der Name des Mannes führt leicht in die Irre: Frank Ricciardone ist ein echter Yankee. Das Besondere an ihm ist nicht seine italienische Abstammung, sondern seine intime Kenntnis des Nahen Ostens. Ricciardone spricht arabisch und türkisch, sein Job führte ihn für längere Zeit nach Kairo und Amman. Zur Zeit ist er der stellvertretende Chef der US-Botschaft in Ankara.
Der Mann ist Spezialist für kritische Missionen.  Als Ende 1996 die Operation der CIA im Nordirak aufflog, organisierte er die Rettung von rund 1.500 Kurden, die für die CIA gearbeitet hatten.  Aus diesen Gründen hat sich US-Präsident Clinton dazu entschlossen, Ricciardone jetzt eine heikle Mission anzuvertrauen. Er soll Saddam Hussein stürzen. Genauer gesagt: die Koordination des Programms zum Sturz Saddams übernehmen.
Das hat in Ankara zu heftigen Protesten geführt.  Ministerpräsident Ecevit ließ durchblicken, daß Ricciardone diesen Job nicht von Ankara aus betreiben kann, und forderte die USA auf, endlich eine klare Irak-Politik zu entwickeln. „Die Türkei hat immer die territoriale Integrität ihrer Nachbarn unterstützt. Die USA können solche Aktionen von ihrem Boden aus bewerkstelligen, die Türkei wird nicht Partei einer solchen Intervention werden. Wir wollen einen konkreten Dialog, um die Ungewißheit über die amerikanische Irak-Politik zu beenden.“
Die Clinton-Administration hat 97 Millonen Dollar als Unterstützung für die Opposition gegen Saddam Hussein ausgelobt. Das Geld soll an sieben Gruppen verteilt werden und Ricciardone aufpassen, daß die Dollars auch im Sinne der Geldgeber verwendet werden. Das könnte sich als ziemlich einfach herausstellen, denn im Moment scheint es, als blieben die USA auf ihrem Geld, respektive militärischem Gerät, sitzen. Die wichtigsten Oppositionsgruppen haben eine Teilnahme an dem amerikanischen Anti-Saddam- Programm entweder abgelehnt, oder sich skeptisch geäußert.
Als erstes meldete sich die Dachorganisation der schiitischen Opposition aus dem iranischen Exil.  Ihr Sprecher Hamid al-Bayati sagte, seine Organisation erhalte keine Mittel aus dem Programm und habe auch nicht danach gefragt. Man werde sich auch künftig nicht darum bemühen, da dies die Position der Organisation im Irak sehr schwächen würde.
Am Wochenende haben sich nun auch die beiden wichtigsten kurdischen Oppositionsgruppen zu den amerikanischen Plänen ablehnend geäußert. Die ebenfalls mit iranischer Unterstützung operierende Patriotische Union Kurdistans (PUK) von Jalal Talabani zeigte sich zwar erfreut, von Washington als wichtige Oppositionsgruppe im Irak akzeptiert zu werden, hält das ganze US-Programm aber für wenig sinnvoll. Am Wochenende erklärte die Partei, eine Lösung im Irak sei nur eine demokratische Transformation ohne äußere Einflüsse.
Auch die zweite große kurdische Oppositionsgruppe, die Kurdische Demokratische Partei von Massoud Barsani, erklärte in einem Schreiben an das AP-Büro in Kairo: „Wir werden diese Form der Unterstützung nicht akzeptieren.“ Massoud Barsani selbst sagte, es sei nicht sein Ziel, Saddam zu stürzen. Positiv haben auf das US-Angebot bislang nur der Irakische Nationalkongress in London, eine bunte Truppe irakischer Oppositioneller, die Monarchisten und eine Gruppe in Amman, zu der ehemalige geflüchtete Saddam-Leute gehören, reagiert.
Am Montag versuchte Ricciardone zumindest in der Türkei, zu retten, was zu retten ist. Mit US-Botschafter Parris eilte er zuerst ins Außenministerium, um dann am Abend erneut mit Ecevit selbst zu konferieren. Die türkische Regierung hat gegen die amerikanischen Pläne sowohl taktische wie auch prinzipielle Einwände.  Erstens möchte man nicht mehr als sowieso schon in den Showdown zwischen Bill Clinton und Saddam Hussein hineingezogen werden. Die Stationierung der Patriot-Raketen auf dem Stützpunkt in Incirlik, von wo die US-Flugzeuge das Flugverbot im Nordirak überwachen, hat deutlich gemacht, daß auch die Türkei gefährdet ist. Grundsätzlich fürchtet Ankara, die USA könnten für den Sturz Saddams einen kurdischen Staat im Nordirak akzeptieren. Ricciardone hat sich bemüht, diese Befürchtungen zu zertreuen. Gegenüber der linksliberalen Zeitung Radikal sagte er: „Ich werde die türkischen Interessen schützen“. Ecevit zeigte sich noch nicht davon überzeugt, verzichtete aber darauf, erneut den Abbruch der Mission von Ricciardone zu fordern. Das hat noch einen anderen Grund. Gestern traf eine Delegation des Internationalen Währungsfond in Ankara ein, von dem Ecevit neue Kredite benötigt.