Kölner Stadt Anzeiger 12.1.99

Neues Kabinett in Türkei
Premier Ecevit ist ein Kritiker der EU Minderheitsregierung bis zum April

Ankara - Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel hat am Montag den 73jährigen Sozialdemokraten Bülent Ecevit zum Premierminister ernannt und die von ihm vorgelegte Kabinettsliste gebilligt. Ecevit tritt damit die Nachfolge des Ende November durch ein Mißtrauensvotum gestürzten konservativen Premiers Mesut Yilmaz an. In der von Yilmaz geführten Regierung amtierte Ecevit als Vize- Premier.
Die jetzt gebildete Minderheitsregierung von Ecevits Demokratischer Linkspartei (DSP) soll das Land bis zu den Neuwahlen führen, die für den 18. April angesetzt sind. Die beiden großen konservativen Parteien, die von Yilmaz geführte Mutterlandspartei (Anap) und die Partei des Wahren Weges (DYP) der früheren Ministerpräsidentin Tansu Ciller, haben Ecevit ihre Unterstützung zugesagt. Er wird sich damit im Parlament auf 295 der 450 Abgeordneten stützen können. Seine Regierungserklärung will Ecevit bereits an diesem Dienstag abgeben. Die Vertrauensabstimmung im Parlament ist für den Sonntag geplant.
Ecevit verkleinerte das Kabinett erheblich. Die Zahl der Staatsminister wurde von zwanzig auf sieben reduziert. Zwei Schlüsselposten, die bereits in der scheidenden Regierung von der DSP gehalten wurden, blieben unverändert: Außenminister Ismail Cem und Finanzminister Zekeriya Temizel behielten ihre Ressorts.
Ecevit zeigte sich entschlossen, den politischen Kurs seines Vorgängers im wesentlichen fortzuführen. Insbesondere in der Haltung gegenüber Griechenland wegen des Zypern-Konflikts werde es keine Änderungen geben. Zugleich kündigte er an, den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität fortzuführen.
In den Beziehungen zur EU steht Ecevit voll hinter der allgemeinen Auffassung in der Türkei, daß das Land „diskriminiert“ worden sei. Die EU habe ihre Zusagen nicht eingehalten und mache die Erfüllung der Kriterien wie Menschenrechte, Demokratie, Minderheitenschutz und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit dafür schon zur Bedingung, daß die Türkei als Kandidat akzeptiert werde. Von anderen Kandidaten aber werde die Erfüllung dieser Kriterien als Bedingung für eine Aufnahme verlangt, argumentiert Ecevit.
Mit Blick auf die Neuwahlen in der Türkei warnte Ecevit vor den Gefahren des politischen Islam. Der beste Weg, den Aufstieg des Fundamentalismus zu verhindern, sei eine verantwortungsvolle Stimmabgabe, sagte Ecevit. Er sprach der islamistischen Tugend-Partei (FP) jegliche Fähigkeit ab, sich dem Laizismus (Trennung von Staat und Religion) als einem der wichtigsten Fundamente der Republik unterzuordnen. Die islamistische Tugend-Partei (FP), eine Nachfolgeorganisation der verbotenen Wohlfahrtspartei (RP), stellt die stärkste Fraktion im Parlament.
Im Kurden-Konflikt hat der türkische Premier bislang alle Konzessionen abgelehnt. Die PKK als „separatistische Terrororganisation“ komme als eine Partnerin für einen Dialog zur Beendigung des blutigen Konflikts mit bislang weit mehr als 30.000 Toten nicht in Frage. (gh, dpa)