Badische Zeitung, 29.12.2000

Sonderzahlung von 900000 Mark für den überlasteten Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg

Berlin übernimmt Vorreiterrolle

Von unserem Mitarbeiter Karl-Otto Sattler

STRASSBURG/BERLIN. Mit einer Sonderzahlung in Höhe von 900'000 Mark unterstützt der Bundestag im kommenden Jahr den unter Arbeitsüberlastung und Geldmangel leidenden Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beim Europarat in Straßburg. Im Bundeshaushalt wurde diese Summe noch zusätzlich eingestellt. 450'000 Mark werden nach Angaben des Außenministeriums sofort ausbezahlt, der Rest soll im Laufe des Jahres folgen. Deutschland übernimmt mit diesem Schritt eine Vorreiterrolle unter den 41 Mitgliedsländern des Staatenbunds. Der Präsident des Gerichtshofs, der Schweizer Jurist Luzius Wildhaber, hatte im Herbst bei den Feiern zum 50-jährigen Jubiläum der Europäischen Menschenrechtskonvention Klage geführt, dass das 41-köpfige Straßburger Richterkollegium mittlerweile in einer Flut von Klagen ertrinke. Die sprunghaft wachsende Zahl von Beschwerden, mit denen Bürger Verletzungen der Menschenrechte in ihren Heimatstaaten geltend machen können, ist eine Konsequenz der Aufnahme der osteuropäischen Länder während der neunziger Jahre. Inzwischen leben über 800 Millionen Europäer im Geltungsbereich der Menschenrechtskonvention.

Im Osten des Kontinents und in der Türkei weisen das Justiz- und Polizeiwesen erhebliche rechtsstaatliche Defizite auf, auch Italien gilt seit jeher wegen überlanger Prozesse als Sorgenkind. 1993 wurden 2000 Klagen vom Gerichtshof zugelassen, 1999 waren es bereits 8400 und im Jahr 2000 wird ein neuer Rekord erreicht.

Wildhaber hatte gefordert, den Jahresetat des Gerichts von bislang rund 50 Millionen Mark um sieben Millionen Mark zu erhöhen, die in Aufstockungen des Personals und in Computertechnik fließen sollen. Die 900'000 Mark, die Deutschland nun als erste Nation zusätzlich zur Verfügung stellt, entsprechen dem Anteil von 12,8 Prozent, mit denen sich Berlin an der gesamten Finanzierung des Europarats beteiligt. 2001 steuert die Bundesrepublik 40 Millionen Mark zum normalen Etat des Staatenbunds in Höhe von 320 Millionen Mark bei; aus diesem Topf wird auch der Gerichtshof finanziert. Hinzu kommen noch knapp zehn Millionen Mark für verschiedene Sonderprogramme Straßburgs.