Neue Zürcher Zeitung (CH), 28.12.2000

Russisch-iranische Front gegen Amerika

Der Verteidigungsminister Russlands zu Besuch in Iran

Der russische Verteidigungsminister Sergejew hat bei seinem Besuch in Teheran die militärische Zusammenarbeit zwischen Iran und Russland besprochen. Diese soll ein Gegengewicht zur Dominanz Amerikas und der Nato in der Region bilden.

vk. Limassol, 27. Dezember

Der russische Verteidigungsminister Sergejew hat bei seinem dreitägigen Besuch in Iran, dem ersten auf diesem Niveau seit der islamischen Revolution, eine Lanze für die Militärzusammenarbeit der beiden Länder gebrochen. Sein iranischer Amtskollege Shamkhani nannte eine vertiefte Verteidigungskooperation notwendig und zwingend; Teheran halte die Entwicklung dieser Beziehungen für prioritär. Sergejew hatte bei seiner Ankunft in Iran am Dienstag versichert, die iranisch-russische Zusammenarbeit sei nicht gegen eine dritte Macht gerichtet. Beide Partner suchen jedoch ein Gegengewicht zur dominanten Stellung der USA.

Alte Rüstungsverträge mit der Sowjetunion
Amerika und Israel stören sich an der Kooperation, besonders weil Moskau auf Geheiss Präsident Putins im November den USA eine geheime Zusage von 1995 aufgekündigt hat, welche Lieferungen moderner Waffen- und Raketensysteme sowie nuklearer Technologie an Iran ausschloss. Mit solchen Einwänden konfrontiert, unterstrich Sergejew in Teheran vor der Presse die strategischen Interessen Russlands; diese verhinderten jedoch nicht die Rücksichtnahme auf die Ansicht anderer. Am Mittwoch besprach sich Sergejew mit Shamkhani und Präsident Khatami.

Russische Militärs gaben an, Sergejews Besuch mit einer grossen Offiziersdelegation sei eine Erkundungsmission. Neue Abkommen würden keine geschlossen, doch könnten solche diskutiert werden. Iran hatte schon vor zehn Jahren, damals noch mit der Sowjetunion, Rüstungsverträge im Umfang von rund 10 Milliarden Dollar abgeschlossen. Sie umfassten die Lieferung von T-72-Kampfpanzern, Suchoi- und MiG-Kampfflugzeugen, Radarsystemen und drei Unterseebooten der Kilo-Klasse. Damit brach Teheran mit der totalen Abhängigkeit von amerikanischem Rüstungsmaterial aus der Zeit des Schahs. Seit dem Krieg gegenden Irak und den Erfahrungen mit einem internationalen Rüstungsembargo baute Iran auch eine eigene Waffenindustrie auf, welche zunächst die Einfuhr von einfacheren, aber zusehends auch komplexen Waffensystemen erübrigen sollte. Zu den jüngeren Errungenschaften zählen die Shihab-3-Rakete mit einer Reichweite von angeblich 1300 Kilometern sowie ein eigener Kampfpanzer und ein Kampfflugzeug. Westliche Kenner sehen darin meist Weiterentwicklungen sowjetischer, chinesischer oder nordkoreanischer Modelle und verdächtigen diese Länder der geheimen Mithilfe. Iranische Militärs versichern, sie hätten wegen der beschränkten Rüstungsautarkie keine russischen Lieferungen mehr nötig.

Ein Bündnis gegen die Nato?
Sergejew besucht in Iran verschiedene militärische Anlagen, die ihm eine Einschätzung der iranischen Armee erlauben sollen. Die Baustelle des Atomreaktors von Bushehr gehört nach iranischen Angaben nicht dazu, weil sie zivilen Zwecken diene. Zu den Themen seiner Gespräche mit Militärs und Politikern in Teheran zählt das Projekt eines Viererbündnisses gegen die Expansionder Nato in Zentralasien. Diesen Plan, der Russland, China, Indien und Iran zusammenführen soll, hat der iranische Vizeaussenminister Ahani neulich in Moskau vorgestellt. Die beiden Länder teilen auch ein Interesse am Überleben der afghanischen Opposition unter Ahmad Shah Masud gegenüber dem Taliban-Regime von Kandahar. Weiter verfolgen die beiden Länder im Kontrast zu den amerikanischen Bemühungen eine eigene Abmachung über Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Ein politisches Hauptanliegen Teherans ist die Aufteilung des Kaspischen Meers mit seinen Energieressourcen; dabei ist Moskau freilich mit den nördlichen Anrainern bereits eigene Wege gegangen.