Frankfurter Rundschau, 26.12.00

Frieden als Möglichkeit

Noch nie war ein Entwurf für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern in seinen Konturen so klar

Von Inge Günther

Noch nie war ein Entwurf für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern in seinen Konturen so klar. Was US-Präsident Clinton präsentiert hat, ist zudem der vernünftigste denkbare Kompromiss. Wichtiger noch: Nach weit über 300 Toten in der jüngsten Runde des Blutvergießens erscheint Frieden wieder als Möglichkeit. Schmerzhafte Kompromisse werden allerdings beiden Seiten abverlangt.

Wenn sie diese Chance ergreifen wollen, müssen sich die Israelis von ihrer alten politischen Glaubenslehre verabschieden, wonach Jerusalem die auf ewig vereinte jüdische Hauptstadt ist und der Tempelberg ihre exklusive Angelegenheit. Die Palästinenser wiederum werden aus ihrem Traum erwachen müssen, dass die seit 1948 aufbewahrten Schlüssel den Flüchtlingen eine Rückkehr in die verlorene Heimat eröffnen. Ein Friedensvertrag kann nur hart an der Wirklichkeit entlang zu friedlicher Koexistenz führen. Darauf basieren Clintons Vorschläge.

Welche Viertel Jerusalems zu wessen Souveränität gehören, soll sich vor allem aus ihrer ethnischen Zusammensetzung ergeben. Frei nach dem Prinzip, dass keine Seite die andere dominieren kann. Alle anderen Siedlungen in Gaza und einen Großteil im Westjordanland muss Israel räumen. Ein anderer Friede wird nicht zu finden sein.

Die Zeichen stehen nicht schlecht, dass sowohl Premier Barak als auch PLO-Chef Arafat diese auf absehbare Zeit letzte Chance nutzen wollen. Viele Probleme werden dann zwar erst zu Tage treten. Aber Krieg wird nicht mehr eine schier unvermeidbare Alternative sein.