junge Welt, 27.12.2000

»Wie unter Kanther«

PDS-Abgeordneter Monty Schädel verurteilt Abschiebepolitik in Mecklenburg-Vorpommern

»Getrübte Weihnachtsstimmung« hinterließ die Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage zu Abschiebungen von Asylbewerbern aus Mecklenburg-Vorpommern nach eigenem Bekunden bei dem PDS-Abgeordneten Monty Schädel.

»Nichts hat sich geändert!« schätzt der PDS-Politiker die bekanntgemachten Zahlen ein und wirft der SPD-PDS- Landesregierung »Abschiebepolitik wie unter Kanther«, dem wegen seiner restriktiven Abschiebepolitik oft kritisierten Ex- Bundesinnenminister, vor.

Landesinnenminister Gottfried Timm (SPD) wirft Schädel vor, »seinen gesetzlich möglichen Spielraum« nicht auszunutzen, um in Einzelfällen Abschiebungen zu verhindern und Aufenthaltstitel zu vergeben. »Dieses wäre aus humanitären Gründen oder bei erheblichem öffentlichen Interesse, und wenn die Regierung es will, ist es erhebliches öffentliches Interesse, möglich.«

Schädel verwies nochmals auf den Fall des Nigerianers Akubuo, »bei dem der Innenminister kläglich versagt« habe. »Dr. Timm hätte als Innenminister die gesetzlichen Möglichkeiten gehabt, die sich dann entwickelnde Zuspitzung der Ereignisse zu verhindern. - Doch er hat sich rausgeredet und Verantwortung delegiert.«

Der Antwort der Landesregierung zufolge wurden in der Zeit von Januar bis einschließlich September 2000 289 Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern deportiert. Damit erhöhte sich die Zahl der Abgeschobenen seit Eintritt der PDS in eine Landesregierung im Oktober 1998 auf 741 Menschen. Daneben sind in diesem Zeitraum 268 Personen »freiwillig« ausgereist, nachdem sie durch die Behörden keinen Aufenthaltstitel mehr ausgestellt bekamen.

Zur »Sicherung der Ausreise« wurden in den vergangenen zwei Jahren 237 Menschen in Abschiebehaft genommen. Einige von ihnen mußten, ohne wegen einer Straftat verurteilt worden zu sein, bis zu 259 Tagen im Abschiebeknast Bützow auf ihre erzwungene Ausreise warten.

Schädel fordert die Landesregierung auf, ihre Ausländerpolitik gründlichst zu überdenken und nicht weiterhin die Forderung bestimmter Kreise nach »Ausländer raus!« in die Tat umzusetzen. (jW)