Westdeutsche Zeitung, 23.12.2000

Krefeld Stadt

"Hier ist kein Kampf von Öcalan"

Von Alexander Alber

Krefeld. Nein, diese Behausungen für mehr als hundert Männer befinden sich nicht irgendwo in einer Megapolis in der Dritten Welt: Sie stehen hinterm Bahnhof Anrath.

Lücken in den Glühlampenfassungen sorgen für gedämpftes Licht. Das hat einen Vorteil: Zumindest ein Teil der Missstände im Anrather Quartier für mehr als 100 kurdische Männer Flüchtlinge von beiderseits der türkisch-irakischen Grenze bleibt so im Dunkelen. Zwei Toiletten für jeweils 50 Männer, zwei Waschmaschinen, kein Trockner, zwei alte Herde, die in einem Sperrmüllhaufen keinen Abnehmer finden würden, ein Gerät, dass nur schwer als Mikrowelle auszumachen ist, ein nackter Schlauch ohne Brausekopf zum Duschen.

Dass bei den erbärmlichen Verhältnissen in den Stahlcontainern hinterm Bahnhof die Bewohner lieber bei Freunden und Verwandten in Krefeld oder sonstwo in der Nachbarschaft bleiben, ist logisch. Doch das geht ins Geld. Ordentliche Abmeldungen für private Reisen über die Kreisgrenze hinaus lässt sich die Ausländerbehörde des Kreises Viersen auf Antrag mit 15 Mark nach Paragraph 58 des Asylverfahrensgesetzes und Paragraph 3 der Gebührenverordnung zum nordrhein-westfälischen Ausländergesetz vergüten.

Das entspricht knapp 20 Prozent der monatlichen Netto-Sozialhilfebezüge der Asylbewerber. Zweimal im Monat dürfen sich die Neu-Anrather 40 Mark nebst der Einkaufsgutscheine für 61 Mark auf dem Sozialamt in Schiefbahn abholen. Die Fahrtkosten von jeweils 12 Mark hin und zurück zahlt natürlich der Hilfeempfänger.

Um die Fahrt zum Amt zu sparen, bleiben manche der Kurden einfach so die Nacht über weg. Wenn sie aber die tägliche "Signierstunde" (11 bis 13 Uhr) beim Hausmeister im Container-Village versäumen, gibt`s einen Abzug von Geld. So bekam Suleyman am Dienstag eben nur 30 statt 40 Mark. Sachbearbeiter Lars Siewert vom Sozialamt in Schiefbahn: "Wer nicht da ist, ist nicht hilfebedürftig. Die Hilfebedürftigkeit ist täglich festzustellen." In dem die Flüchtlinge ihre Unterschrift aufs Papier setzen, dokumentieren sie ihre Bedürftigkeit.

Ganz übel dran ist Zeki Tunc. Der wurde vor einiger Zeit in den Containern so schwer krank, dass er zur Operation ins Krefelder Klinikum gebracht werden musste. Tunc machte einen großen Fehler: Bevor er in den Krankenwagen stieg, versäumte er es, dem Sozialamt über seinen Klinik-Aufenthalt zu informieren. Jetzt sitzt er auf einer Rechnung über 3468,24 Mark. Im Sozialamt Schiefbahn, so berichtete Zeki Tunc der WZ, habe man zu gesagt: "Das musst du selber zahlen".

Neben allen Mängeln und gesetzlich sankionierten Schikanen ist es aber auch der Ton, den die Asylbewerber steht. Wenn sie den Mund aufmachen, weil ihnen etwas nicht passt, dann heißt es schon mal sinngemäß: "Merkt euch das: "Hier ist kein Kampf von Öcalan. Hier passiert das, was wir wollen."