web.de, 22.12.2000, 18:22

Gefängnis-Revolte in Istanbul beendet

Ankara (dpa) - Türkische Sicherheitskräfte haben am Freitag den Widerstand der letzten aufständischen Häftlinge in einem Gefängnis in Istanbul gebrochen. Dies meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf das Justizministerium in Ankara. Die Aufständischen hätten sich einer nach dem anderen ergeben.

Im Ümraniye-Gefängnis befanden sich rund 400 Insassen. Sie krochen nach türkischen Fernsehangaben am Freitagabend durch ein Loch in der Gefängnismauer nach draußen. Viele von ihnen seien ins Krankenhaus gebracht worden.

Damit beendeten Polizisten und Soldaten den am Dienstag begonnenen Großeinsatz gegen die bisher hartnäckigste Gefängnis-Revolte in der Türkei. Bei der Erstürmung der Anstalten kamen nach Angaben des türkischen Justizministeriums 23 Häftlinge und zwei Polizisten ums Leben. Rund 1 100 Insassen waren zwei Monate lang in 20 Gefängnissen des Landes in den Hungerstreik getreten. Die meisten Opfer steckten sich nach Angaben des Justizministeriums selbst in Brand. Erst gestern hatten die Behörden das Gefängnis in der Dardanellen-Stadt Canakkale unter Kontrolle gebracht.

Die linksgerichteten Gefangenen protestierten mit ihrer Aktion gegen die Schaffung kleiner Zellen in neuen Gefängnissen anstelle der bisherigen Großräume. Die Häftlinge befürchten, dass sie in den kleinen Zellen eher Übergriffen von Aufsehern ausgesetzt sein könnten.

Die Revolte hatte in den vergangenen Tagen auch Proteste von Türken und Menschenrechtlern in verschiedenen Ländern Europas, unter anderem in Deutschland, ausgelöst. Am Freitag besetzten Türken und ethnische Kurden das Büro der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Frankfurt (Main). Nach eigenen Angaben wollten sie damit die Öffentlichkeit auf «die Tyrannei und die Massaker» in der Türkei aufmerksam machen.

Der türkische Präsident Ahmet Necdet Sezer hatte am Donnerstag ein umstrittenes Amnestiegesetz unterzeichnet, das etwa der Hälfte der 72 000 Gefängnis-Insassen die Freiheit bringen könnte. Das Gesetz kann noch vor dem Verfassungsgericht angefochten werden. Ziel der geplanten Teilamnestie ist es, die überfüllten türkischen Gefängnisse zu entlasten.