taz Berlin 22.12.2000

Zum Weihnachtsfest ein Abflugticket

Ein jugendlicher Waise aus der Mongolei soll am ersten Weihnachtsfeiertag abgeschoben werden

Am ersten Weihnachtsfeiertag soll ein jugendlicher Flüchtling nach Ulan-Bator abgeschoben werden. Nach Angaben des Flüchtlingsrates war der Mongole Horlu A. am 18. Dezember in die Ausländerbehörde geladen worden, mit der Ankündigung ihm eine Duldung auszustellen. In Begleitung seines Sozialbetreuers wurde er dann verhaftet und in das Abschiebegefängnis Grünau gebracht.

Während Horlu A. sein Alter mit 15 Jahren angibt, geht die Ausländerbehörde nach einer zahntechnischen Untersuchung davon aus, dass er bereits 18 Jahre alt sei. Eine Abschiebung ist bei Jugendlichen unter 16 Jahren nicht erlaubt. Der Flüchlingsrat zweifelt die Untersuchung an. Sie könne das Alter einer Person nur innerhalb einer Spanne von zwei Jahren feststellen. Zudem blieben kulturelle Unterschiede unberücksichtigt.

Horlu A. hält sich seit Sommer diesen Jahres in Deutschland auf. Zwei Monate davon war er bereits in Grünau inhaftiert. Dort habe er mit einem Hungerstreik auf seine verzweifelte Lage aufmerksam gemacht und wurde aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Der Jugendliche wurde über die Vermittlung des evangelischen Pfarrers in Grünau in einem kirchlichen Jugendheim aufgenommen.

Der Flüchlingsrat fordert den Senat auf, die geplante Abschiebung umgehend zu stoppen und Horlu A. eine Rückkehr in das Heim zu ermöglichen. Hartwig Berger, migrationspolitscher Sprecher der Grünen, setzte sich gestern mit einem offenen Brief an die Innenstaatssekretärin Mathilde Koller für den Mongolen ein. Er sei Waise und würde in der Mongolei, in der zur Zeit strenger Winter herrscht, nicht allein überleben können. "Zudem leidet der Junge noch immer unter gesundheitlichen Schäden von seinem Hungerstreik, und sozial scheint er durch tragische familiäre Verhältnisse entwurzelt und bedarf daher dringend der sozialen Betreuung", so Berger. Die Innenbehörde wollte sich zu dem Fall nicht äußern. PETRA MAYER