Neue Zürcher Zeitung (CH), 22.12.2000

Keine Kandidatur von Peres in Israel

Die linke Meretz-Partei verweigert die Zustimmung

Die linke Meretz-Partei hat sich am Donnerstagabend gegen eine Kandidatur von Shimon Peres für das Amt des israelischen Regierungschefs ausgesprochen. Dem Entscheid waren heftige Diskussionen und Auseinandersetzungen vorausgegangen.

gsz. Jerusalem, 21. Dezember

Die linke Meretz-Partei hat am Donnerstagabend entschieden, Shimon Peres nicht als Kandidaten bei der Wahl für das Amt des Ministerpräsidenten zu portieren. Nachdem sich der Likudführer Ariel Sharon seines potenziellen Mitbewerbers um das Amt des Regierungschefs, Benjamin Netanyahu, hatte entledigen können, sah sich Ministerpräsident Barak mit dem gleichen Problem konfrontiert. Auch auf Kosten einer Spaltung des linken Lagers hatte sich Shimon Peres geweigert, seine Absichten zu ändern. Für eine Kandidatur hätte er die schriftliche Unterstützung von zehn Parlamentariern benötigt. Dabei hatte er vergeblich auf die linke Meretz-Partei gehofft, die über die Ergebnisse der Politik Baraks und dessen Führungsstil enttäuscht ist.

Königsmacher wider Willen
Die wider Willen zum Königsmacher avancierte Meretz-Partei hatte sich am Donnerstag unversehens in Zugzwang befunden, denn bis Mitternacht mussten die Formulare für eine mögliche Kandidatur eingereicht werden. Der Parteiführer, Yossi Sarid, hatte sich aus dem Zwist, der auch auf persönlichen Rankünen der beiden Politiker beruhte, heraushalten wollen und die beiden Politiker gebeten, selber eine Lösung zu finden. Am Donnerstagvormittag fand eine Versammlung von Meretz statt, bei der die Angelegenheit erörtert wurde. Unter den Anwesenden war auch der Schriftsteller Amos Oz, ein als Anhänger von Peres bekanntes Mitglied des Friedenslagers. Aber diesmal versagte er dem alten Kämpfer seine Unterstützung und rief Peres auf, im Interesse der Einigkeit des Friedenslagers auf die Kandidatur zu verzichten. Auch mehrere der Arbeitspartei nahestehende Bürgermeister israelischer Grossstädte drängten Peres, seine Ambitionen fallenzulassen. Peres konterte mit einem Angebot. Er werde seine Kandidatur freiwillig zurückziehen, falls Barak bei den laufenden Gesprächen mit den Palästinensern bis zum 20. Januar, dem Ende von Präsident Clintons Amtszeit, eine Einigung erzielen sollte.

Auf ein Nebengeleise abgeschoben
Verständlicherweise war Barak über ein solches Ultimatum nicht sehr erbaut. Er sei jedoch bereit, einer Aufforderung von Meretz nachzukommen und Peres sogleich die führende Rolle bei den laufenden Friedensverhandlungen zu überlassen. Damit wollte der Ministerpräsident in letzter Minute ein Versäumnis gutmachen, das seine bisherige Amtszeit empfindlich trübte. Nach seiner Wahl vor eineinhalb Jahren hatte er den weit erfahreneren Peres auf ein Nebengleis abgeschoben und die Innen- und Aussenpolitik nach eigenem Gutdünken geführt. Bloss ein einziges Mal, auf dem Höhepunkt der Intifada, gestattete er Peres eine Initiative und genehmigte ein Treffen mit Arafat in Gaza. Für den Friedensprozess bedeutete die Abwesenheit von Peres einen grossen Verlust.

Peres lehnte Baraks Angebot umgehend ab. Er suche keine Arbeitsteilung, sondern wolle mit seiner Kandidatur sicherstellen, dass Sharon nicht siegreich aus der Wahl hervorgehen werde. Ausserdem traue er den Versprechen des Ministerpräsidenten nicht mehr. Ob die Motive für seine Kandidatur tatsächlich so selbstlos waren, wie das Peres darstellte, ist zweifelhaft. Der ewige Verlierer bei israelischen Wahlen ist als eitler Mensch bekannt. Aber nicht nur im Lager der israelischen Rechten und Linken kam es zu Zweikämpfen. Auch die israelischen Araber, die trotz den fehlenden Erfolgsaussichten gerne einen Kandidaten ins Feld geschickt hätten, konnten sich nicht auf einen Bewerber einigen. Achmed Tibi von der Nationalen Demokratischen Allianz und Abd al- Malik Dahamshe von der Arabischen Demokratischen Partei hatten ins Rennen steigen wollen. Die gegenseitigen Abneigungen unter den zehn Parlamentariern der arabischen Parteien waren jedoch grösser als ihre Antipathien gegen die zionistischen Bewerber. Keiner der beiden Parlamentarier erhielt die benötigte Anzahl von Unterschriften.