Yeni Gündem, 21.12.2000

Gefangene gerettet, indem sie getötet wurden
Çanakkale und Ümraniye: Widerstand dauert an
Bayrampasa: Zahl der Toten weiterhin ungewiss

Während die Operationen gegen die Todesfastenden und Hungerstreikenden in 18 von 20 Gefängnissen beendet wurden, dauert der Widerstand in Çanakkale und Ümraniye weiterhin an. Am blutigsten verlief der Angriff in Bayrampasa, wo nach ersten Untersuchungen 20 Leichen gefunden wurden. Es wird angenommen, dass die Anzahl höher ist. Die Bilanz der Toten und Verletzten der sogenannten "Rückkehr ins Leben"-Operation, in deren Verlauf dutzende von Gefangenen bestialisch ermordet wurden, hunderte bleibende Behinderungen erlitten, ist nach wie vor unklar.

Das Gefängnis Bayrampasa, das am Vortag unter Maschinengewehr-Beschuss mit Baggern halbniedergerissen wurde, konnte gestern wegen der andauernden Auswirkungen der Nebelbomben für lange Zeit nicht betreten werden. Eine von der Oberstaatsanwaltschaft Eyüp mit Ermittlungen beauftragte Delegation aus drei Staatsanwälten und einem Doktor konnte gestern mittag gegen 12 Uhr mit den Untersuchungen beginnen. Wie Oberstaatsanwalt Sen mitteilte, bemühten sie sich um die Identifizierung der Leichen. (...)
Die Zahl der Toten wurde mit 20 angegeben, allerdings ist die Delegation noch nicht in alle betreffenden Bereiche vorgedrungen. Es wird angenommen, dass die Anzahl der Toten bei weitergehenden Untersuchungen noch ansteigen wird. Nach Angaben eines Augenzeugen soll es mindestens 30 Tote und 170 Verletzte geben; Soldaten hätten noch vor Beginn der Operation Leichensäcke aus Ambulanzen geholt. Eine Person, die mit Cuma Sat, der verletzt ins Haseki Krankenhaus eingeliefert wurde, sprechen konnte, gibt die Worte des Gefangenen folgendermassen wieder: "Wir hatten mit Sicherheit keine Waffen. Wir haben uns nicht selbst verbrannt. Die Spezialeinheiten haben aus einer Entfernung von 5-6 Meter auf uns geschossen. Sie kamen aus Ankara. Von einer Seite haben sie Feuer gelegt, von der anderen geschossen."
Die Familien der Toten, die nach dem Massaker zur Gerichtsmedizin verbracht wurden, verfluchten Medien und Ausführende des Massakers. An die Polizisten gewandt sagten sie "Ihr Mörder, ihr habt unsere Kinder umgebracht, bringt auch uns um!" und zu den Medienvertretern "Aus euren Stiften tropft Blut, was die Regierung nicht wollte, habt ihr auch nicht geschrieben."
Bei der Auseinandersetzung wurden vier Personen festgenommen. (...) Im Parlament informierte Justizminister Türk die Abgeordneten, dass in Çanakkale 158, in Ümraniye 423 Gefangene weiterhin Widerstand leisteten, es aber keine Toten gegeben habe. Indessen waren in Ümraniye am Abend wieder Schüsse zu hören und Rauch stieg auf.