junge Welt, 20.12.2000

Kriegskurs Richtung Syrien

Israels atomwaffenbestückte U-Boot-Flotte offenbar in Alarmbereitschaft versetzt

»Israel bereitet sich auf einen Krieg mit Syrien vor und hat deshalb seine drei mit Nuklearsprengköpfen bewaffneten U- Boote in Alarmbereitschaft versetzt. Alle drei von Deutschland gebauten und an Israel ausgelieferten U-Boote, die Tekuma, die Dolphin und die Leviathan, sind kürzlich ausgelaufen.« Das meldete am Montag die Internetausgabe der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post. Bereits tags zuvor hatte die britische Sunday Times unter Berufung auf militärische Quellen gemeldet, daß die israelische Regierung mit dem Befehl zum Auslaufen ihrer nuklear bestückten U- Boote sich auf das schlimmstmögliche Szenario eines unbegrenzten regionalen Krieges vorbereitet. Denn um die Angriffe der libanesischen Hisbollah in dem umstrittenen Gebiet an der Nordgrenze Israels zu stoppen, glauben die israelischen Falken, daß es unumgänglich ist, »die syrischen und libanesischen Machtzentren anzugreifen«, wie unlängst der israelische Generalmajor Uzi Dayan festgestellt hatte. Dies jedoch würde die Gefahr der Ausweitung zu einem großen, regionalen Krieg in sich bergen.

Angeblich hat eine israelische Panzerdivision vor knapp zwei Wochen bereits den Befehl erhalten, zur Verstärkung der israelischen Truppen auf den Golan-Höhen Stellung zu beziehen. Besonders besorgt sei die israelische Armeeführung über die anhaltende Kooperation Syriens mit der Hisbollah, die seit dem israelischen Rückzug aus Südlibanon im Mai dieses Jahres ihre militärische Schlagkraft verdoppelt hätte. Seither habe die islamisch-fundamentalistische Organisation auch vom Iran panzerbrechende Raketen und Raketenwerfer mit größerer Reichweite erhalten, die mit Zustimmung Syriens auf dem Landweg in den Libanon geliefert worden seien.

Insgesamt habe die Hisbollah entlang der umstrittenen Grenze 30 Stützpunkte militärisch ausgebaut und so mit über 1 000 Kämpfern in vorgeschobenen Positionen und weiteren 5 000 in rückwärtigen Stellungen eine neue Frontlinie geschaffen.

In der Zwischenzeit bemüht sich der israelische Premierminister Ehud Barak, die Friedensgespräche mit Palästinenserführer Yassir Arafat wiederzubeleben. Wenn es ihm gelingen würde, ein Abkommen auszuhandeln, das die Gewalttätigkeit auf beiden Seiten reduzieren würde, dann ginge auch die Gefahr eines großen, regionalen Kriegs zurück. Außerdem könnte dies Baraks Chancen erhöhen, aus den vorgezogenen Wahlen erneut als Premierminister hervorzugehen. Ohne ein Abkommen mit Arafat liegt Baraks einziger Konkurrent, der erzreaktionäre ehemalige General Ariel Scharon, dessen Besuch auf dem Tempelberg der Auslöser der nun schon über drei Monate dauernden Unruhen war, in jüngsten Umfragen mit 40 Prozent vor Barak, der nur auf 33 bis 35 Prozent der Stimmen kommt. Der ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu hatte am Montag das Handtuch geworfen und wird zur Wahl im Februar nicht antreten.

Im Umgang mit Arafat zeigt sich Barak nun wieder flexibler. Er besteht auch nicht länger darauf, daß erst die Intifada aufhören muß, bevor die Friedensgespräche wieder aufgenommen werden können. Auch sein amtierender Außenminister Schlomo Ben Ami zeigte vergangene Woche in Verhandlungen mit Arafat über die Aufhebung der israelischen Blockade der Westbank und des Gazastreifens und über mögliche Abhilfen der daraus entstandenen verheerenden Wirtschaftkrise in den besetzten Palästinensergebieten erste Zeichen von Entgegenkommen. Zudem hat sich der scheidende US-amerikanische Präsident William Clinton wieder eingeschaltet, um zu vermitteln. Inzwischen sind eine israelische und eine palästinensische Delegation in Washington eingetroffen.

Aber der Falke Scharon hat bereits erklärt, daß, was auch immer in Washington bei den Verhandlungen herauskommen mag, er sich nicht daran halten wird. »Barak hat nicht das Recht, einen Vertrag zu unterschreiben. Er ist zurückgetreten und sein Rücktritt ist bereits rechtskräftig«, erklärte Scharon. Wenn trotzdem ein Abkommen erreicht wird, dann - so Scharon - »werde ich es nicht umsetzen«.

Rainer Rupp