Süddeutsche Zeitung, 19.12.2000

Ausfuhren 1999 stark gestiegen

Kirchen prangern deutsche Rüstungsexporte an

"Entwicklung und Menschenrechte müssen Vorrang vor wirtschaftlichen und militärischen Interessen haben" / Von Markus Feldenkirchen

Berlin - Die beiden großen Kirchen haben die steigenden deutschen Rüstungsexporte kritisiert. Die Ausfuhr habe Ende der neunziger Jahre wieder deutlich zugenommen, erklärte die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) bei der Präsentation ihres Rüstungsexportberichts am Montag in Berlin. Demnach wurden im Jahr 1999 Kriegswaffen im Wert von 2,85 Milliarden Mark an das Ausland verkauft. 1998 betrug der Export solcher Waffen lediglich 1,3 Milliarden Mark.

Insgesamt wurden 1999 Rüstungsgüter in Höhe von 6,6 Milliarden Mark ausgeführt. Das sind 1,2 Milliarden mehr als im Vorjahr. "Eine derartige Zunahme hat wohl niemand von der rot-grünen Regierung erwartet", sagte der katholische GKKE-Vorsitzende, Prälat Karl Jüsten. Die Kirchen forderten die Regierung auf, künftig weniger Waffenexporte zu genehmigen. Entwicklung und Menschenrechte müssten Vorrang vor wirtschaftlichen und militärischen Interessen haben.

Allerdings fand die GKKE auch anerkennende Worte für die Regierung Schröder. Positiv sei, dass im Januar erstmals seit 18 Jahren schärfere Richtlinien für den Export von Rüstungsgütern eingeführt worden seien. Dass die Regierung im September einen eigenen Bericht über die Rüstungs-Ausfuhren vorgelegt habe, sei ebenfalls zu begrüßen. Mit den darin gemachten Angaben liege die Regierung im Vergleich zu anderen Staaten im "gelben Bereich", erklärte die GKKE. Es gebe aber zahlreiche Länder, die viel konkretere Angaben zu ihren Waffenexporten machten.

Wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter waren 1999 die Türkei und Israel. Ein Viertel des Gesamtexports ging aber laut dem Bericht auch an Entwicklungsländer. "Entgegen amtlichen Bekundungen verkauft Deutschland Waffen nicht nur an harmlose und friedliche Staaten", sagte das Mitglied der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, Michael Brzoska. Die Bundesregierung verfolge zwar in der Tat eine restriktive Rüstungsexportpolitik, Deutschland gehöre aber dennoch zu den fünf größten Waffenexporteuren der Welt.

Der Vorsitzende der Fachgruppe Bernhard Moltmann warnte, dass die anstehende Bundeswehr-Reform einen "erneuten Schub bei den Rüstungsexporten" auslösen könnte. Er forderte deshalb die Regierung auf, Waffen, die im Zuge der Reform ausgemustert würden, nicht an andere Länder zu verkaufen, sondern zu verschrotten.