junge Welt, 19.12.2000

Exportweltmeister

Rüstungsexportbilanz der Schröder-Fischer-Regierung in der Kritik. Von Thomas Klein

Die deutsche und europäische Rüstungsexportpolitik zum Gegenstand einer Untersuchung machte eine Arbeitsgruppe der »Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)«. Sie kam dabei zu einem für die Schröder-Fischer- Regierung wenig schmeichelhaften Ergebnis. Auf einer Pressekonferenz am Montag in Berlin bilanzierten Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche sowie Experten der »Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung«, daß ein Vorrang für Entwicklung und Menschenrechte, der bei Regierungsantritt vor zwei Jahren angekündigt worden war, nicht erkennbar sei. Vielmehr boomte im vergangegen Jahr das »Geschäft mit dem Tod«.

Nach den vorliegenden Zahlen im »Rüstungsexportbericht 2000« gab es binnen eines Jahres eine Steigerung bei den deutschen Waffenexporten um über 100 Prozent. Betrug der Wert bei der Ausfuhr von Kriegswaffen im Jahr 1998 noch 1,3 Milliarden Mark, so lag er im Jahr 1999, dem ersten Amtsjahr der neuen Regierung, bei 2,8 Milliarden Mark. Eine derartige Zunahme, so der GKKE-Vorsitzende, Prälat Stephan Reimers, »hatte wohl niemand von der rot-grünen Bundesregierung erwartet«.

Andrea Kolling, Mitarbeiterin der in Bremen ansässigen BUKO-Kampagne »Stoppt den Rüstungsexport«, zeigte sich gegenüber jW angesichts dieser Fakten weniger überrascht: Die Kontinuität in der Außenpolitik sei zu Beginn von der neuen Regierung, namentlich von Außenminister Fischer, ja ausdrücklich angekündigt worden. Allein die deutliche Steigerung bei der Ausfuhr von Kriegswaffen habe noch einen überraschendes Moment. Nach den von der GKKE vorgelegten Zahlen gab es nicht nur bei der Ausfuhr von Kriegswaffen eine erhebliche Steigerung. Auch eine Zunahme beim Export von militärisch relevanten Gütern gemäß der Außenwirtschaftsverordnung sei zu verzeichnen. Auch der ist nach Angaben des Berichts im Jahr 1999 gegenüber dem Vorjahr um 1,2 Milliarden Mark auf 6,6 Milliarden Mark gestiegen.

Selbst die von der Bundesregierung bei Amtsantritt angekündigte Initiative zur Eindämmung des Handels mit Kleinwaffen läßt sich in der Regierungspraxis kaum ablesen. Die Waffen wurden wegen ihrer einfachen Handhabung, ihrer großen Verbreitung und der Tatsache, daß sie maßgeblich zur steigenden Zahl sogenannter »Kindersoldaten« in Kriegen beitragen, in den letzten Jahren als »Tötungsinstrumente der neuen Kriege« gegeißelt. Trotzdem sei der Export von Kleinwaffen und Munition im Jahr 1999 in über 40 Fällen gestattet worden.

Die Liste der Empfängerländer ist unter dem Aspekt, daß die Einhaltung von Menschenrechten laut Koalitionsvereinbarung wichtiges Kriterium für die Genehmigung beim Export von Kriegswaffen sein sollte, ebenfalls kaum eine Erfolgsmeldung zu nennen. Hier gilt eher der Grundsatz »Papier ist geduldig«. Neben Israel und Südkorea als bedeutenden Abnehmern finden sich unter den Käufern deutscher Waffen Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Nigeria. Wichtigstes Empfängerland, mit einem Anteil von fast 30 Prozent aller Lieferungen, war die Türkei.

Dabei hatte selbst Rudolf Scharping einst ummißverständlich erklärt, er verstehe nicht, »daß die Bundesregierung Waffen in die Türkei liefert, von denen man ja nicht ausschließen kann, daß mit ihrer Hilfe Frauen und Kinder zusammengeschossen werden. Das ist eine gottserbärmliche Politik. Wir sind der Auffassung, daß die Waffenexporte schlicht eingestellt werden sollten und daß es eine absolut restriktive Handhabung geben muß«. Doch das war zu Oppositionszeiten. Lange vorbei.

Die GKKE-Vertreter forderten am Montag in Berlin von der Regierung eine tatsächlich »restriktiv gehandhabte« Rüstungsexportpraxis. Denn davon sei die derzeitige Bundesregierung weit entfernt.