Frankfurter Rundschau, 18.12.2000

Kein Abschiebestopp für Yeziden

NRW-Innenminister: Flüchtlinge in Georgien nicht verfolgt

Von Reinhard Voss

Die nach Deutschland geflüchteten Yeziden aus Georgien können nicht auf einen generellen Abschiebestopp rechnen.

DÜSSELDORF, 17. Dezember. In einem Schreiben an die deutsche Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte begründete der Düsseldorfer Innenminister Fritz Behrens (SPD), derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern, die harte Haltung gegenüber den Flüchtlingen mit dem "derzeitigen Erkenntnisstand" über die Zustände in Georgien. Die Verhältnisse in dem vom ehemaligen sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse beherrschten Land böten "keine Veranlassung für einen Abschiebestopp georgischer Staatsangehöriger oder eine Gruppenschutzregelung".

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte ist anderer Auffassung. Nach ihren Informationen werden in Georgien besonders die aus Kurdistan stammenden Yeziden wegen ihres Glaubens und ihrer Kultur systematisch verfolgt, gefoltert und getötet. Selbst das Auswärtige Amt in Berlin habe "entgegen einer früheren Einschätzung" nun eingeräumt, dass Yeziden in Georgien verfolgt würden, heißt es in dem Brief der Menschenrechtsorganisation an Behrens, in dem ein Abschiebestopp verlangt wird. In dem vertraulichen jüngsten Bericht des Außenministeriums über die Lage in Georgien, der der FR vorliegt, ist allerdings mit Blick auf die Yeziden nur "von Fällen von Diskriminierungen im Alltag und Benachteiligungen im Verkehr mit staatlichen Behörden, insbesondere der Polizei", die Rede. Es handele sich dabei "auch nach Einschätzung georgischer Menschenrechtsorganisationen" um Einzelfälle, "die eher durch unzureichende Ausstattung und Qualifikation der Sicherheitsorgane zu erklären sind als durch generelle Schutzunwilligkeit oder eine staatliche Billigung der Übergriffe Dritter". Von "staatlicher Repression" kann deshalb nach Einschätzung des Fischer-Ministeriums nicht die Rede sein.

Nach Auffassung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte sind diese amtlichen Feststellungen eine "falsche Auskunft". Den Yeziden drohe "irreparabler Schaden".

Allein in Nordrhein-Westfalen leben rund 200 yezidische Familien aus Georgien, die von Abschiebung bedroht sind. Das Verwaltungsgericht in Minden und das Oberverwaltungsgericht in Münster lehnten ihre Klagen gegen die drohende Abschiebung ab. Die Richter stützten sich dabei auf den Lagebericht aus dem Auswärtigen Amt. Das Verlangen der abgelehnten Asylbewerber, diese staatliche Einschätzung durch unabhängige Experten überprüfen zu lassen, lehnten die Gerichte mit dem Hinweis ab, sie seien "hinreichend sachkundig". Dagegen klagen die Yeziden nun vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.