web de 15.12.2000 20:05

Gespräche mit türkischen Häftlingen in der Sackgasse

Gefangene setzen «Todesfasten» fort - Sezer legt Veto gegen Amnestiegesetz ein

Ankara (AP)

Die Bemühungen um eine Ende des Hungerstreiks hunderter türkischer Häftlinge sind nach Angaben von Justizminister Hikmet Sami Türk vom Freitag wegen inakzeptabler Forderungen der Gefangenen in eine Sackgasse geraten. Die Regierung könne der jüngsten Forderung der Häftlinge nach einer Zusammenlegung in Zellen zu 20 Gefangenen nicht nachkommen, sagte Türk. «Dies zu akzeptieren würde bedeuten, die Gefängnisreform in der Türkei für immer aufzugeben», erklärte er.

Insgesamt befinden sich laut Türk mehr als 1.000 Häftlinge im Hungerstreik. 249 Gefangene beteiligen sich am so genannten «Todesfasten», sie nehmen nur Wasser zu sich. Mehrere Vermittler, die sich für ein Ende des seit 57 Tagen andauernden Hungerstreiks einsetzen, stellten ihre Bemühungen unterdessen ein. Eine Fortsetzung der Gespräche habe keinen Sinn, erklärte der Parlamentsabgeordnete Mehmet Bekaroglu nach einem Gespräche mit den Häftlingen am Freitagmorgen. «Wir können nichts mehr tun.» Staatsanwalt Ferzan Citici sagte, er glaube, die Gespräche seien über Fragen der Größe und Bauart der Zellen ins Stocken geraten. Vor mehreren Haftanstalten stehen Rettungswagen bereit, Krankenhäuser sind bereits in Alarmbereitschaft versetzt worden. Vor vier Jahren waren zwölf Gefangene bei einem ähnlichen Streik verhungert.

Trotz des «Todesfastens» der Häftlinge besteht die Regierung darauf, die Häftlinge von offenen Abteilungen in kleinere Zellen zu verlegen. Die Gefangenen, überwiegend Angehörige linksgerichteter Gruppen, fürchten, damit Übergriffen von Aufsehern schutzlos ausgeliefert zu sein. Von den Gefangenen im Hungerstreik befinden sich nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation 20 in lebensbedrohlichem Zustand. Ein Staatssicherheitsgericht schränkte die Berichterstattung über den Hungerstreik am Donnerstag ein.

Unterdessen legte Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer am Freitag sein Veto gegen ein vom Parlament erlassenes Amnestiegesetz ein. Dieses hätte die Freilassung von rund 35.000 Häftlingen ermöglicht - der knappen Hälfte aller türkischer Gefängnisinsassen. Sezer verwies die Vorlage mit der Forderung nach Änderungen zurück ans Parlament. Er sagte, das Amnestiegesetz in seiner derzeitigen Form untergrabe das Vertrauen der Bürger in die Justiz.