Die Welt, 16.12.2000

Senatorin wollte nicht Däumchen drehen

"Situation wirkte nicht bedrohlich" - Besetzer kam in ihr Zimmer

DIE WELT: Frau Senatorin, entsprang Ihre Entscheidung, nicht mit den Besetzern zu sprechen, einem spontanen Entschluss?

Lore Maria Peschel-Gutzeit: Eine solche Entscheidung hängt immer davon ab, um was es geht. Die Türken, die kamen, wollten Verhältnisse in der Türkei anprangern. Man kann aber als Mitglied einer Landesregierung spontan sich nicht von Menschen, die ja um gar keinen Termin gebeten hatten, sondern gewaltsam eingedrungen waren, ein Gespräch aufzwingen lassen. Übrigens kann das Problem, um das es ging, nicht auf der Ebene der Bundesländer behandelt werden. Deswegen würde ich in solchen Fällen immer sagen: das geht einfach nicht, zumal das Konzept der Besetzer auch eine Geiselnahme meiner Person hätte beinhalten können.

DIE WELT: Die Delegation ihres Hauses, die mit den Besetzern sprach, war aber doch dann in der gleichen Situation.

Peschel-Gutzeit: Sicherlich nicht: Die Besetzer forderten ein Gespräch mit mir und wollten meine Person instrumentalisieren. Wir haben den Besetzern ein Gespräch mit dem Staatsrat angeboten. Das haben sie akzeptiert und damit war auch der Druck weg.

DIE WELT: Aber warum haben Sie nicht die Stellung gehalten und sind stattdessen nach Wilhelmsburg gefahren?

Peschel-Gutzeit: Hätte die Situation wirklich bedrohlich auf mich gewirkt, wäre ich natürlich geblieben, das ist ja klar. Aber es ist doch quatsch, wenn ich hier bleibe, jedoch aus taktischen Gründen am Gespräch nicht teilnehme, die Däumchen drehe und einen Termin nach dem nächsten versäume. Das Landeskriminalamt hat mir übrigens mehrfach bestätigt, dass mein Verhalten genau richtig war. lau