Neue Ruhr Zeitung, 16.12.2000

An Schläge gewöhnt, da macht Folter nichts aus?

Kreis Wesel/Aachen. Das Abschiebeurteil für Hüseyin Calhan muss überprüft werden, fordert der Verein Aachener Friedenspreis. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht habe aufgrund falscher Unterlagen geurteilt. Dreh- und Angelpunkt: das ärztliche Gutachten von Dr. Peter Eicker, Leiter des Paderborner Gesundheitsamtes, das den Ausschlag für die durch den Kreis Wesel veranlasste Abschiebung gegeben hatte.

Erster Kritikpunkt: War der Arzt überhaupt fachlich in der Lage, eine solche Untersuchung durchzuführen? Das Verwaltungsgericht hatte dem für den Kurden Calhan zuständigen Kreis Wesel zur Auflage gemacht, einen Facharzt für Psychiatrie mit einem Gutachten zu beauftragen. Da Calhan zu diesem Zeitpunkt bereits im Abschiebegefängnis in Büren saß, bat die Weseler Behörde den Kreis Paderborn um Amtshilfe. Die schickte keinen Facharzt, sondern Dr. Eicker, von den Behörden als "Arzt mit Psychiatrieerfahrung" bezeichnet. Eine Einstufung, so Gerhard Diefenbach vom Aachener Friedenspreis, die es laut Justititar der Ärztekammer Westfalen-Lippe nicht gebe. Das Verwaltungsgericht hatte die Aussagen von Eicker als "Arzt mit Psychiatrieerfahrung" als Ersatz für den ursprünglich geforderten Facharzt akzeptiert.

Zweiter Kritikpunkt: Der Inhalt des Gutachtens. Schon dem Laien ische Grundsätze verlassen, weil der den Kulturkreis des jungen Kurden nicht weiter beachtet habe.

Die Aachener Organisationen wollen ein Disziplinarverfahren gegen Eicker anstrengen und das Abschiebeurteil überprüfen lassen. Zu spät für Hüseyin Calhan. Der, so die Aachener Flüchtlingsbeauftragte Andrea Genten, lebe ohne Arbeit und in ständiger Angst in Istanbul. Am Telefon frage er stets, "was wir tun, um ihn nach Hause zu holen". Carmen Friemond