Neue Zürcher Zeitung, 16. Dezember 2000

Irans Kulturminister Mohajerani tritt zurück

Ein Opfer von Khatamis Wahlkampagne?

vk. Limassol, 15. Dezember

Der iranische Präsident Khatami hat am Donnerstag den Rücktritt seines Ministers für Kultur und islamische Führung, Ayatollah Mohajerani, angenommen, diesen aber sofort zum Präsidentenberater und Direktor des Instituts für Dialog der Zivilisationen ernannt. Mohajerani fiel also keineswegs in Ungnade, sondern fördert nun das aussenpolitische Hauptanliegen des Denker-Präsidenten. Sein Demissionsschreiben lag aber gerüchteweise schon seit dem letzten April auf Khatamis Tisch. Der Präsident wählte nun eine Phase, in welcher der Druck der Konservativen eher nachgibt und er selber wieder die Initiative hat, um in der Person Mohajeranis dem Revolutionsführer Khamenei ein Opfer darzubringen, für das er ohne Zweifel einen hohen Preis einfordert. Khatami erklärte vor zwei Wochen überraschend, ihm fehlten die nötigen Machtmittel für seinen Amtsauftrag zum Schutz der Verfassung. Er hält nun mit seiner formellen Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im nächsten Mai so lange zurück, bis Khamenei ihm die nötigen Kompetenzen für eine wirksame zweite Amtszeit als Reformer zusichert.

Mohajerani war seit 1997 Minister für islamische Führung und bewies erstaunliches Format an dieser zentralen Schaltstelle der Reformierung des ideologisierten Regimes. Er war zuvor Vizepräsident unter Rafsanjani und zählte zusammen mit dem später abgesetzten Teheraner Bürgermeister Karbasji zu den Gründern der zentristischen Pragmatikerpartei Kargozaran. Als Minister machte er Ernst mit den Bürgerfreiheiten und stellte den ursprünglich ideologisierten totalitären Apparat auf den Kopf. Er delegierte die Verantwortung für das kulturelle Schaffen zunehmendan die verschiedenen Künstlersyndikate wie Filmer und Schriftsteller. Sein Ministerium begünstigte einen nie da gewesenen Pressefrühling mit Hunderten von neuen Titeln. Als Khamenei und die konservativen Gralshüter der islamischen Revolution zurück schlugen, appellierte er einfach an die Kunstschaffenden, sie sollten auf die Empfindlichkeiten einer religiösen Gesellschaft Rücksicht nehmen - eine blumige Umschreibung der Selbstzensur.

Die Ausfälle Khameneis wurden aber zusehends schärfer, bis er öffentlich die "Verantwortlichen für die islamische Kultur" beschuldigte, sie hätten die Reformpresse zum Brückenkopf einer Infiltration der islamischen Republik durch fremde, säkulare Werte verkommen lassen. Im Frühjahr 1999 veranstaltete das damals noch konservativ dominierte Parlament ein Entlassungsverfahren, doch Mohajerani verteidigte sich brillant im Plenum. Weil aber Khamenei nicht von seinem Eifern abliess und in seinem Kielwasser die konservative Justiz die ganze Reformpresse per Gerichtsverfügungen schloss, reichte der Minister schliesslich den Rücktritt ein.