Neue Zürcher Zeitung, 15. Dezember 2000

Aufnahme - Rückkehr - Wegweisung

Informationsfilm über Asylsuchende in der Schweiz

Unter dem Titel "Wir und die anderen - Asyl in der Schweiz" informiert ein 45-minütiger, auch als Video erhältlicher Film über Fluchtgründe und das Prüfungsverfahren, über die Lebenssituation Asylsuchender und das Verhalten des selektiven Aufnahmelands. Das Projekt wurde vom Bund und von privaten Organisationen getragen.

C. W. Das Asylproblem führt seit den achtziger Jahren zu Verunsicherung, Polemik, Hektik und Anteilnahme. Es erstaunt eigentlich, dass erst jetzt, aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums des Uno- Hochkommissariats für Flüchtlinge, ein breit abgestützter Informationsfilm verfügbar ist, der zumBeispiel in Schulen eine Wissens- und Verständnisbasis legen kann. Das Thema ist allerdings heikel, seine Behandlung droht zu trocken oder aber zu emotional, zu offiziell oder zu anwaltschaftlich zu geraten.

Drei typische Wege

Der Film, den die Infomedia AG in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Flüchtlinge, der Caritas, dem Schweizerischen Roten Kreuz und der Stiftung für audiovisuelle Bildungsangebote produziert hat, ist um Differenzierung und"Sachlichkeit" bemüht, lässt indessen vor allem Betroffene und Beteiligte - Asylsuchende, Betreuerinnen, Beamte - sprechen und so den persönlichen Aspekt hervortreten. Drei Wege werdenverfolgt und mit Bildern auch aus den Ursprungsländern illustriert. Die Kurdin Zeba Baban war aus dem Irak geflohen, nachdem ihr Bruder und ihr Mann wegen politischer Aktivitäten im Gefängnis getötet worden waren. Sie erhielt nachmehrjähriger Flucht in der Schweiz Asyl und findet sich trotz ihrer schweren Belastung heute zurecht. Der Frauenturnverein St. Fiden bietet ihrGesellschaft, ihr Sohn macht eine Elektronikerlehre. Die frühere Lehrerin hat noch keine Arbeit;sie träumt von einer Dissertation über das Kurdische.

Tashim Berisha hatte 1998 Kosovo verlassen und wurde in der Schweiz mit seiner Familie, die ihm später gefolgt war, während der Vertreibungen und des Kriegs vorläufig aufgenommen. Diedanach verordnete Rückkehr war für ihn freiwillig, obschon sie in ein zerstörtes Dorf führte. Sein grösster Wunsch: sein Haus wieder bewohnbar zu machen und den Unterricht wieder aufzunehmen. Chalif Mouamed schliesslich, ein 18-jähriger Guineaner, dessen Personalien allerdings ungewiss bleiben, kann keine glaubwürdigen Asylgründe anführen und kommt für einen positiven Entscheid nicht in Frage, wie die Beamtin höflich erläutert. Auch er weckt gewisse menschliche Sympathien. Sein weiteres Schicksal ist offen. Eine Wegweisung ohne Identitätspapiere ist schwierig, er selber erwägt, es in Italien, bei seinem Bruder in den USA oder in Liberia zu versuchen.

Keine Politik

Auch die Behörden bekommen ein Gesicht: Ein Grenzwächter, ein Befrager, die Leiterin eines Durchgangszentrums und andere stellen ihre Aufgaben dar. Die Bevölkerung kommt mit kurzen Aussagen von Passanten zu Wort und zeigt zwar keine Begeisterung, aber mindestens Bereitschaft, sich mit den Fremden zu arrangieren. Das (prüfende und unterscheidende) Asylland erscheint als nicht weniger und nicht mehr denn korrekt, so dass man sich fragt, wo denn die polarisierte Stimmung geblieben sei. Auf die politische Debatte liessen sich die Filmautoren begreiflicherweise nicht näher ein. Ein Hinweis auf grundsätzliche Probleme und Konflikte hätte den Rahmen aber nicht gesprengt.

In dem gewissermassen gedämpften Bild erhält das schwierige Thema der in weitem Sinn armutsbedingten und nicht als Flucht geltenden Migration kaum das gebührende Gewicht. Dies fällt umso mehr auf, als es heisst, nur 10 Prozent der Asylbewerber könnten in der Schweiz bleiben, was zum Schluss verleiten kann, 90 Prozent seien "unechte" Flüchtlinge. In Wirklichkeit haben allein die politisch direkt Verfolgten und die vorübergehend aufgenommenen Kriegsflüchtlinge in den letzten Jahren 20 bis 40 Prozent ausgemacht.

Man mag den Film als Resultat eines Kompromisses bezeichnen. Vom Vorwurf der ?Härte? ist ebenso wenig die Rede wie von ?Missbrauch? - mit Ausnahme einer (zu) kurzen Sequenz über die Einreise oder das Einschleusen zum Zweck, Straftaten zu begehen. Dass sich Bund und Hilfswerkesowie (als Geldgeber) Kantone, Kirchen und Stiftungen zu diesem Projekt zusammengefunden haben, ist aber an sich schon bemerkenswert.

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