junge Welt, 14.12.2000

Wieder Selbstmord in Abschiebehaft

17jähriger Tamile erhängte sich kurz vor Abflug nach Sri Lanka.

Von Reimar Paul

Erneut hat ein Flüchtling in einem deutschen Abschiebeknast Selbstmord begangen. Am vergangenen Freitag erhängte sich der vermutlich 17jährige Arumugasamy Subramaniam in der Haftanstalt Hannover-Langenhagen. Niedersachsens Flüchtlingsrat machte den Suizid jetzt bekannt. Die Gefängnisverwaltung bestätigte den Tod des Tamilen auf Anfrage.

Nach Angaben des Flüchtlingsrates war Subramaniam am Mittwoch vergangener Woche in Osnabrück festgenommen und am Donnerstag nach Langenhagen gebracht worden. Den Behörden galt der Tamile als Volljähriger, weil er mit einem von einer Fluchthilfeorganisation gefälschten Paß nach Deutschland eingereist war, der ihn als 25jährigen auswies. Die Ausländerbehörde des Kreises Osnabrück gab das ?richtige? Alter mit 19 an, dies habe eine Röntgenuntersuchung ergeben. Die Geburtsurkunde Subramaniams nennt jedoch als Geburtsdatum den 3. Januar 1983.

Der Tamile lebte fünf Jahre lang in Deutschland. Er sei zwar im Kreis Osnabrück gemeldet gewesen, habe aber die meiste Zeit bei seinem Onkel im nordrhein-westfälischen Ahrensberg gewohnt, sagte Kai Weber vom Flüchtlingsrat. Dies sei zwar nicht erlaubt, von der dortigen Ausländerbehörde aber "augenzwinkernd geduldet" worden. Einem offiziellen Umzug nach Ahrensberg habe die Ausländerbehörde des Kreises Osnabrück nicht zugestimmt. Nach der rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrages beantragte Arumugasamy Subramaniam die Adoption durch seinen Onkel. Der Landkreis Osnabrück mochte den Ausgang dieses Verfahrens jedoch nicht mehr abwarten und forderte den Tamilen zur freiwillige Ausreise auf. Am 6.Dezember wollte der Flüchtling in Begleitung eines Freundes bei der Ausländerbehörde das weitere Vorgehen absprechen. Nach Recherchen des Flüchtlingsrates ließen die Bediensteten die beiden jungen Männer "unter einem Vorwand" auf dem Gang warten und riefen die Polizei. "Der Junge fing an zu weinen. Der Freund bat die Ausländerbehörde darum, dem Tamilen die freiwillige Ausreise zu ermöglichen, für die er persönlich geradestehen wollte", heißt es in einem Bericht des Flüchtlingsrates. Die Behörde habe jedoch auf die Inhaftierung Subramaniams bestanden.

Der sollte dann am 11. Dezember abgeschoben werden. Nach Aussagen von Freunden und Verwandten hatte er große Angst vor einer Rückkehr nach Sri Lanka, weil er befürchtete, dort sofort inhaftiert zu werden. Die Sprecherin der Abschiebehaftanstalt erklärte, die Selbsttötung sei "völlig überraschend" gekommen.

Der Flüchtlingsrat verlangte, die Abschiebehaft "grundsätzlich zu Überprüfen". Auch eine Haftanstalt mit vergleichsweise guten Haftbedingungen wie Langenhagen "bleibt ein Gefängnis und kann verzweifelte Menschen nicht davor schützen, sich in ihrer Not das Leben zu nehmen", sagte Weber. Die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke reagierte am Dienstag "mit Trauer und Entsetzen" auf die Nachricht von dem Suizid. Als Konsequenz verlangte sie die Abschaffung der Abschiebehaft und den Stopp aller Abschiebungen in Bürgerkriegsgebiete.

Nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen haben sich seit der Asylrechtsverschärfung im Jahr 1993 schon 37 Flüchtlinge in Abschiebehaft das Leben genommen. Insgesamt habe die "Abschiebemaschinerie" in den vergangenen sieben Jahren 79 Menschen "in den Tod gerissen", erklärte die Internationale Liga für Menschenrechte. Für den kommenden Sonnabend planen Flüchtlingsinitiativen aus Anlaß des Selbstmordes eine Trauerkundgebung in Hannover.