Rheinische Post, 14.12.2000

Vorgehen gegen Präsident Chatami gefordert

Iranische Reformgegner rufen Verfassungsgericht an Teheran

Eine einflussreiche reformfeindliche Vereinigung in Iran hat das Verfassungsgericht des Landes aufgefordert, gegen Präsident Mohammed Chatami tätig zu werden. Ein Führungsmitglied der Gesellschaft der Islamischen Koalition, Hamid Resa Taraki, sagte am Mittwoch zu AP, Verstöße gegen die Verfassung gebe es vor allem auf Seiten der Regierung. Eine Entfernung des Präsidenten aus dem Amt werde aber nicht angestrebt.

Als Verfassungsverletzung wertete Taraki etwa die Lockerung gesellschaftlicher Restriktionen und Versagen in der Wirtschaftspolitik. In dem letzte Woche an das Verfassungsgericht übermittelten Schreiben wird selbst die Machtlosigkeit des Präsidenten gegen Verfassungsverstöße seiner islamistischen Gegner als Verletzung der Verfassung gewertet. Chatami habe im November eingeräumt, dass er nicht imstande sei, der Verfassung Geltung zu verschaffen und die Übergriffe seiner Gegner gegen die Verfassung zu stoppen. Dies bedeute ein Schuldbekenntnis.

Nach Schätzung von Reformpolitikern machen die Hardliner 20 Prozent der Bevölkerung der Islamischen Republik Iran aus, üben aber mit Hilfe nicht gewählter Institutionen 80 Prozent der Macht aus, beispielsweise durch islamische Sondergerichte, die in Geheimprozessen Journalisten und politische Aktivisten aburteilen und mit Anklagen wie "Störung der öffentlichen Meinung" und "Aushöhlung des Establishments" gegen Gemäßigte vorgehen. Der Reformpolitiker Chatami hat dies wiederholt als verfassungswidrig kritisiert. Die von Irans geistlichem Führer Ayatollah Ali Chamenei unterstützten Hardliner betreiben eine Propagandaoffensive gegen Chatami und dessen Anhänger, seit sie bei Wahlen im Februar die Herrschaft über das Abgeordnetenhaus einbüßten.