Berliner Zeitung, 13.12.2000

Attentat auf türkische Polizisten

Zusammenstöße zwischen rechten und linken Gruppen

ANKARA, 12. Dezember. Linke Untergrundkämpfer haben nach Angaben der türkischen Behörden in Istanbul bei einem Überfall auf einen Bus zwei Polizisten erschossen und zwölf weitere verletzt. Mehrere tausend Polizisten zogen am Mittag zum Sitz des Gouverneurs und forderten Maßnahmen gegen die Gruppe.

Während einer Demonstration für türkische Häftlinge im Hungerstreik ist es am gleichen Tag in Ankara zu Ausschreitungen gekommen. Linksgerichtete Demonstranten stießen mit rechten Aktivisten und mit der Polizei zusammen. Mehrere Menschen wurden verletzt, mindestens 66 Personen festgenommen. Einige Demonstranten demolierten Autos. Anschließend kam es zu Straßenschlachten mit rechtsradikalen Jugendlichen. Derzeit befinden sich 250 linke Häftlinge im Hungerstreik. Sie protestieren gegen den Plan der Regierung, Häftlinge aus Gruppenzellen in kleinere Zellen zu verlegen. Die Regierung will damit die organisierten Banden in den Massenzellen zerschlagen, die Häftlinge befürchten häufigere Übergriffe der Wärter.

Verbot für islamistische Partei?

Vor dem türkischen Verfassungsgericht hat am Dienstag ein Verbotsverfahren gegen die islamistische Tugendpartei (FP) begonnen. Generalstaatsanwalt Vural Savas ist der Ansicht, dass die FP eine Nachfolgerin der 1998 verbotenen islamistischen Wohlfahrtspartei ist. Die Tugendpartei stellt derzeit 103 der 550 Abgeordneten in der Nationalversammlung. Sie ist die stärkste Opposition-Fraktion. Wird die FP verboten, wären vielleicht Neuwahlen nötig. Daran aber haben die Regierungsparteien kein Interesse. Ein solches Verbot würde dem EU-Kandidaten Türkei auch Kritik von der EU einbringen. (dpa)