Frankfurter Rundschau, 11.12.2000

Jüdische Siedler feuern auf einen palästinensischen Jungen

Gewalttaten stehen einer Beruhigung der angespannten Lage im Nahen Osten weiter im Wege/Arafat wirbt für Friedenstruppe

Jüdische Siedler haben am Wochenende einen 13 Jahre alten palästinensischen Jungen durch Schüsse schwer verletzt. Israelische Soldaten erschossen ein Mitglied der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Yassir Arafat.

JERUSALEM, 10. Dezember (dpa/afp). Die jüdischen Siedler hatten das Haus der Familie des Jungen am Stadtrand von Hebron bereits am Freitag besetzt. Als die palästinensische Familie am Samstag wieder in ihre Wohnung zurückkehren wollte, schossen die Siedler auf den 13-Jährigen und trafen ihn im Bauch und am Fuß. Das Grundstück, auf dem das Haus der Familie steht, wird von den Siedlern für sich beansprucht.

Israelische Soldaten feuerten im Westjordanland auf ein Mitglied der Fatah-Bewegung. Der Mann sei in der Nacht zum Sonntag bei der Ortschaft Beit Dschala nahe Bethlehem getötet worden, teilten palästinensische Ordnungskräfte mit. Nach Angaben des israelischen Rundfunks hatten zwei Palästinenser das Feuer eröffnet. Die beiden Männer hätten eine Bombe am Straßenrand deponieren wollen.

Tausende Palästinenser versammelten sich im Westjordanland, um die sieben am Freitag Getöteten zu beerdigen. "Rache, Rache!" riefen einige Bewaffnete, die sich unter die Trauernden in Dschenin gemischt hatten. In Dschenin wurden vier Polizisten und ein Zivilist zu Grabe getragen, die am Freitag bei einem Panzerangriff der israelischen Armee getötet worden waren. Der palästinensische Informationsminister Yassir Abed Rabbo verurteilte das Vorgehen des israelischen Militärs in einer Erklärung als "kaltblütiges Verbrechen". In Gaza gingen rund 1500 zum Teil schwer bewaffnete Palästinenser auf die Straße, um an den Jahrestag der Intifada zu erinnern. "Wir werden alle jüdischen Siedler in den Palästinensergebieten verbrennen", riefen die Demonstranten. Nach dem Tod von drei Israelis am Freitag hatte die israelische Armee noch am Abend die autonomen Gebiete des Westjordanlandes abgeriegelt.

Unterdessen reiste Palästinenserpräsident Arafat nach Riad, wo er Saudi-Arabien um Unterstützung für die Forderung nach einer internationalen Friedenstruppe bitten wollte.