junge Welt, 09.12.2000

Kommentar

Verlogene Symbolik

Auch Bundestag beschloß Verbotsantrag gegen NPD

Viel war von »Entschiedenheit«, »Zeichen setzen« und »wehrhafter Demokratie« die Rede, als der Deutsche Bundestag am Freitag über einen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD diskutierte und schließlich abstimmte. Das Ganze war ohnehin nur noch eine symbolische Geste, da sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat bereits den Gang nach Karlsruhe in die Wege geleitet haben. So zeigte sich das gewohnte Bild: Die politische Elite des Landes präsentierte sich als einig Volk von entschiedenen Antirassisten und Antifaschisten.

Doch die Motive für das angestrebte Verbot der NPD sind keineswegs lauter. Nicht nur, daß die Existenz einer weit verbreiteten ausländerfeindlichen Grundstimmung in Deutschland mit gewalttätigen Exzessen als Spitze des Eisberges so gut wie gar nichts mit der Existenz der NPD zu tun hat; die ganze Verbotsdebatte dient offensichtlich der eigenen Reinwaschung. Ohne die brutalen Untaten von Glatzen und ähnlichem Gesocks verharmlosen zu wollen: Die meisten Opfer rassistischer Gewalt gingen und gehen hierzulande auf das Konto der herrschenden Asyl- und Ausländerpolitik, die sich nicht scheut - egal ob SPD, Grüne oder Union - Flüchtlinge mittels Abschiebung ihren Peinigern auszuliefern. Parallel dazu beteiligen sich alle Parteien an einer lebhaften Debatte über die Selektion der Migranten in Nutzmenschen und Schmarotzer. Die Unterschiede sind dabei nur gradueller Natur. Während Grüne, FDP und große Teile der SPD im Schulterschluß mit den Unternehmerverbänden auf eine pragmatische Regelung zur Verwertung nichtdeutscher Arbeitskraft setzen, muß die CDU auf jenen Teil ihrer Klientel Rücksicht nehmen, der im völkischen Blut-und-Boden-Denken verhaftet ist. Auch das »antifaschistische Engagement« der Unternehmerverbände geht über sorgenvolles Stirnrunzeln über den export- und investitionshemmenden Imageschaden, den totgeschlagene Ausländer bewirken, nicht hinaus. In diesen Kreisen ist man nicht einmal bereit, die eigenen Arbeitssklaven aus der vergangenen faschistischen Diktatur für die zum Wohle der deutschen Industrie erlittenen Qualen zu entschädigen.

Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, einem menschenverachtenden Faschistenhaufen wie der NPD die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten einer legalen Partei wegzunehmen. Ändern wird ein solches Verbot aber weder etwas an der Tatsache, daß Nichtdeutsche in vielen Teilen des Landes Freiwild für den rassistischen Mob sind noch an der Exekutierung einer menschenfeindlichen Migrantenpolitik seitens er »antifaschistischen« Parteien.

Rainer Balcerowiak