yahoo.com, 10. Dezember 2000, 00:15 Uhr

Ehud Barak - General einsamer Entscheidungen

Berlin (Reuters) - Israels Regierungs-Chef Ehud Barak hat mit seinem plötzlichen Rücktritt und der Ankündigung von Neuwahlen für das Amt des Ministerpräsidenten einmal mehr seine Fähigkeit zu schnellen und überraschenden Entscheidungen bewiesen. Erst vor wenigen Tagen war er einer Abstimmungsniederlage im Parlament zuvorgekommen, indem er sich den Abgeordneten plötzlich als Anhänger vorgezogener Parlamentswahlen präsentierte. Barak gilt als gewiefter Taktiker. Einsame Entscheidungen haben dem Karriere-Offzier nach Einschätzung politischer Beobachter allerdings auch einen Teil der Probleme eingebracht, die jetzt zu seinem Rücktritt führten.

Barak wurde 1942 in einem Kibbuz in der Nähe von Netanja in Nordisrael geboren. Schon während seiner Offizierslaufbahn zeichnete er sich durch strategische Zielstrebigkeit und Mut zu waghalsigen Aktionen aus. Bereits mit 17 Jahren trat er in die Armee ein. 1970 befehligte er eine Elitetruppe, im Jom-Kippur-Krieg 1973 ein Panzerbataillon. 1976 leitete er die Befreiung israelischer Geiseln im ugandischen Entebbe aus der Hand von Terroristen. 1991 wurde er Generalstabs-Chef und gilt als Israels meistdekorierter Offizier. Neben seiner Offizierslaufbahn studierte Barak Mathematik, Physik und System-Management. Er ist verheiratet und Vater dreier Töchter.

Baraks politischer Mentor wurde in den 90er Jahren der damalige Ministerpräsident und Vorsitzende der Arbeitspartei Jitzchak Rabin. Er ernannte den Hobby-Schachspieler zu seinem politischen Berater und holte ihn 1995 als Innenminister ins Kabinett. Nach Rabins Ermordung im November 1995 war Barak kurze Zeit Außenminister. Als die Arbeitspartei in die Opposition musste, ließ sich Barak 1997 zum Vorsitzenden wählen.

Mit dem Versprechen, als "Erbe Rabins" den Friedensprozess voranzubringen, gewann Barak im Mai 1999 die Direktwahl zum Ministerpräsidenten gegen den konservativen Benjamin Netanyahu vom Likud-Block. Als Regierungs- Chef einer breiten, aber fragilen Koalitions-Regierung vereinbarte Barak im September 1999 mit den Palästinensern die Übergabe weiterer Gebiete an eine palästinensische Verwaltung. Im Mai dieses Jahres zog er Israels Soldaten aus dem Südlibanon zurück. Friedensverhandlungen mit Syrien scheiterten.

Im Sommer verließen mehrere Koalitionspartner Baraks Regierung, nicht nur aus Angst vor weit reichenden Zugeständnissen an die Palästinenser in den bevorstehenden Friedensverhandlungen. Kabinettsmitglieder äußerten öffentlich ihr Misstrauen, Barak könne seine Politik an ihnen vorbei gestalten. Auch in seiner Partei wurde Kritik an seinen einsamen Entscheidungen laut. Barak verlor die Mehrheit im Parlament. Die Verhandlungen mit den Palästinensern in den USA scheiterten. Ein neuer Aufstand der Palästinenser begann. Der Friedensprozess, um dessentwillen Barak gewählt worden war, ist seit Monaten blockiert.