junge Welt, 09.12.2000

Karawane nach Brüssel

Weiter Solidaritätsaktionen für türkische Gefangene im Hungerstreik

Die Solidaritätsaktionen mit den 1 000 hungerstreikenden politischen Häftlingen in verschiedenen türkischen Gefängnissen werden fortgesetzt. In den nächsten Tagen sind Veranstaltungen und Kundgebungen in deutschen Städten, darunter Ulm, Hamburg, Bielefeld und Dortmund, geplant. Am Sonntag wird es eine zentrale Kundgebung auf der Kölner Domplatte geben, wo sich in einem Zelt mehrere Menschen schon bis zu 30 Tagen im unbefristeten Hungerstreik befinden. Dort wird auch die bekannte türkische Politband Yorum ein Solidaritätskonzert geben.

An diesen Aktionen wollen sich auch die Teilnehmer eines Solidaritätshungerstreiks beteiligen, die ihre fast zweiwöchige Aktion auf dem Berliner Alexanderplatz am Donnerstag abend mit einer Kundgebung beendeten.. Verschiedene Redner und Rednerinnen berichteten, daß sich die Lage der türkischen Gefangenen dramatisch zugespitzt hat. Bei einigen seien akute Krankheitssymptome wie Schwindel, Magenbluten und Herzrasen aufgetreten. Die türkische Regierung hat mittlerweile erklärt, daß sie die Gefangenen notfalls zwangsernähren will.

Betont wurde auf der Kundgebung auch die Bedeutung der internationalen Unterstützung. Die ehemalige Gefangene der Bewegung 2. Juni, Ilse Schwipper, die selbst mehr als sechs Jahre in westdeutschen Isolationsgefängnissen verbrachte, rief in einer Erklärung die deutsche Öffentlichkeit auf, die Gefangenen in ihrem Kampf nicht allein zu lassen. Auch die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke versicherte, daß ihre Fraktion an der Seite der Hungerstreikenden und ihrer hiesigen Unterstützer steht. Mit Verweis auf die historischen Vorbilder der Isolationshaft erklärte sie: »Seit Stammheim wissen wir, daß Isolationshaft Folter ist.« Auch die Berliner DKP erklärte sich mit den Hungerstreikenden solidarisch.

Anschließend setzte sich die Unterstützerkarawane in Bewegung. Sie ist Teil eines Demonstrationszuges, der am 11. Dezember vor dem Europäischen Parlament in Brüssel enden wird. An diesem Tag werden auch Demonstranten aus der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien in der belgischen Hauptstadt eingetroffen sein.

Peter Nowak