web.de, 09.12.2000 22:13

Türkei verschiebt wegen Hungerstreik Häftlingsverlegung

Drei Gefangene in kritischem Ausland - Demonstrationen in Istanbul und Ankara

Istanbul (AP)

Angesichts des Hungerstreiks hunderter Häftlinge hat die türkische Regierung die Verlegung von Gefängnisinsassen in kleinere Zellen auf unbestimmte Zeit verschoben. Justizminister Hikmet Sami Turk sagte am Samstag auf einer Pressekonferenz, die Regierung wolle nicht die Gesundheit oder das Leben der Gefangenen gefährden. Die neuen Zellen sollten erst dann belegt werden, wenn eine Vereinbarung mit den Hungerstreikenden getroffen sei. Zudem erwäge die Regierung, die Häftlinge in eine am Freitag vom Parlament beschlossene Amnestieregelung aufzunehmen. Derzeit prüft Präsident Ahmet Necdet Sezer die Amnestieregelung, die für die Hälfte der insgesamt 72.000 Häftlinge gelten soll.

Mindestens drei der Hungerstreikenden schwebten am Samstag laut Berichten von Angehörigen in Lebensgefahr, weitere können nicht mehr sehen oder leiden an Nierenproblemen. Die Gefangenen, die überwiegend linksgerichteten Gruppen angehören, sind zurzeit in Räumen mit bis zu 100 Gefangenen inhaftiert. Sie fürchten, bei Verlegung in kleinere Zellen Übergriffen von Aufsehern schutzlos ausgeliefert zu sein.

Eine Gruppe von Abgeordneten und Schriftstellern besuchte die Häftlinge am Samstag. Nach ihrer Einschätzung war zunächst offen, ob der Hungerstreik weiter fortgesetzt werden sollte. Unterdessen kam es in Istanbul während einer Kundgebung zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Hunderten Menschenrechtsaktivisten, Anwälten und Angehörigen von Häftlingen. Dabei wurden laut Medienberichten 200 Personen festgenommen. In Ankara protestierten etwa 1.000 Menschen friedlich für die Anliegen der Häftlinge.