web de 09.12.2000 02:25

Türkisches Parlament billigte umstrittenes Amnestiegesetz

Über 35.000 Häftlinge können mit Entlassung rechnen

Ankara (AP) Die türkische Nationalversammlung hat am Freitag ein umstrittenes Amnestiegesetz gebilligt, durch das fast die Hälfte der 72.000 Insassen der Gefängnisse des Landes mit ihrer baldigen Freilassung rechnen können. Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer muss dem Gesetz noch mit seiner Unterschrift zustimmen, damit es in Kraft treten kann. Gegen die Amnestie gibt es Widerstand in weiten Teilen der Bevölkerung, besonders bei Angehörigen von Verbrechensopfern und in konservativen Kreisen. Deshalb hatte Sezers Vorgänger Süleyman Demirel im letzten Jahr gegen ein ähnliches Gesetz sein Veto eingelegt.

Das Gesetz reduziert Freiheitsstrafen um bis zu zehn Jahren und würde zur Freilassung von über 35.000 Häftlingen führen. Ausgeschlossen von dem Straferlass sind Personen, die wegen Verrats und anderer staatsfeindlicher Taten verurteilt wurden, Vergewaltiger sowie wegen Korruption verurteilte Staatsbeamte und Rauschgifthändler, nicht dagegen Mörder. Todesstrafen werden in lebenslange Freiheitsstrafen verwandelt, was wiederum nicht für Landes- und Hochverräter wie den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, gilt. Hauptziel der Amnestie ist es, die Lage in den hoffnungslos überfüllten türkischen Strafanstalten zu entspannen.