Berliner Zeitung, 7.12.2000

Kurde niedergeschossen: Keiner bezahlt Klinik

Nach dem Sturm aufs israelische Konsulat fordert Krankenhaus 23 000 Mark für eine Behandlung

Gilbert Schomaker

Zehn Tage kämpften die Ärzte im Steglitzer Uniklinikum Benjamin Franklin um das Leben von Sinan Karakus - vergeblich. Der 26-jährige Kurde, der bei dem Sturm auf das israelische Generalkonsulat im Februar vergangenen Jahres durch Schüsse israelischer Sicherheitsbeamter schwer verletzt worden war, starb auf der Intensivstation. Eineinhalb Jahre später versucht der Klinik-Verwaltungsdirektor Peter Zschernack, die Behandlungs-Kosten erstattet zu bekommen. Aber keine Behörde will die 23 223,40 Mark bezahlen.

Das Problem: Karakus lebte illegal in Berlin. Deshalb springt weder eine Krankenkasse noch das Sozialamt ein. Denn ohne festen Wohnsitz fühlt sich kein Bezirk zuständig. In einem Brief an das Abgeordnetenhaus schreibt der Verwaltungschef, dass er im Fall Karakus eine Klage gegen den Staat Israel als "Verursacher" für ausgeschlossen hält. Nun fragt er, ob die Behandlungskosten "ausnahmsweise durch das Land Berlin übernommen werden können". Eine Antwort steht noch aus. Zschernack weist den Vorwurf des Zynismus zurück. "Wir haben 49 Millionen Mark Schulden. Da muss man hinter solchen Kosten hinterherlaufen." Mit Verständnis für den Klinikchef reagierte der Gesundheitsexperte der Grünen, Bernd Köppl. "Seit Jahren gibt es das Problem der kranken Illegalen in Berlin", sagte Köppl. Etwa 100 000 als "illegal" bezeichnete Menschen leben nach Angaben der Innenverwaltung in der Stadt. Köppl schätzte die Gesamtsumme der aufgelaufenen Krankenhauskosten auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Er befürchtet, dass als Konsequenz aus den offenen Rechnungen minder schwere Fälle von den Kliniken abgewiesen werden. "Dann haben wir eine Art Patiententourismus. Die kranken Illegalen ziehen dann von Krankenhaus zu Krankenhaus", sagt Köppl. Nach einem Rechtsgutachten, das der Jurist Ralf Fodor für das Erzbistum Berlin zurzeit erstellt, haben Illegale grundsätzlich einen Anspruch auf die Behandlung. "Es darf keine Menschen zweiter Klasse geben", sagt Fodor. Köppl schlägt einen Deckungsfonds des Landes von drei Millionen Mark vor. Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) sagt, dass die "Notversorgung grundsätzlich gesichert" sei. Und sie warnt davor, dass ein von Klöppl geforderter Fonds "falsche Anreize" für eine Behandlung in Deutschland bieten könnte.